Zum Andenken an den großen Brand von 1666 wurde ein 120 Meter breites Modell der Londoner Skyline aus dem 17. Jahrhundert in Brand gesteckt. Neben anderen Großstädten setzt London inzwischen wieder verstärkt auf Holz. Sicherheitsprobleme gibt es heute kaum noch.

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London ist derzeit eine einzige Baustelle: Baukräne ragen in die Höhe, Kieslaster und Betonmischer rumpeln durch die Straßenschluchten. Mehr als 200 neue Hochhäuser werden im Moment gebaut oder sind in Planung. Doch was das Architekturbüro PLP zusammen mit der Universität Cambridge plant, könnte alle Dimensionen sprengen: ein 300 Meter hohes Hochhaus aus Holz im Barbican Estate im Herzen der Hauptstadt, doppelt so hoch wie der Kölner Dom. Der Entwurf sieht einen 80 Stockwerke hohen Wohnturm mit 1000 Wohneinheiten und Strebepfeilern vor, der aus echtem Fachwerk besteht. 65.000 Kubikmeter Holz sollen für den Bau des Gebäudes benötigt werden.

Dass ausgerechnet in London, wo vor 350 Jahren eine gewaltige Feuersbrunst (Great Fire) wütete und die meisten mittelalterlichen Bauten zerstörte, ein Wolkenkratzer aus Holz gebaut werden soll, mag zunächst wie eine Hybris anmuten. Doch neben seinen ästhetischen Qualitäten bietet Holz als Baustoff einige Vorteile gegenüber Stahl- und Betonkonstruktionen: Das Material ist leichter, billiger und vor allem – als nachwachsender Rohstoff – umweltfreundlicher und nachhaltiger.

Gesünder leben

Während bei der Stahl- und Betonproduktion gewaltige Mengen CO2 emittiert werden, absorbiert der natürliche Rohstoff Treibhausgase. Die Holzkonstruktion würde 5000 Tonnen CO2 binden, so viel, wie 5000 Londoner im Jahr produzieren. Hinzu kommt, dass die Bewohner eines Holzgebäudes dank seiner thermischen und akustischen Eigenschaften gesünder leben.

Für eine Großstadt wie London ergeben sich aus der Holzbauweise weitere Vorteile: Zum einen wäre die Baustelle deutlich leiser. Die Bautrupps müssten nicht mehr mit schwerem Gerät anrücken, um ein tiefes Fundament für die Metallstreben zu graben oder Flüssigbeton einzugießen. Lärmquellen machen bekanntlich krank. Zum anderen würde sich das Verkehrsaufkommen reduzieren, das zur Feinstaubbelastung in Städten beiträgt. Der Materialforscher Michael Ramage von der Universität Cambridge hat errechnet, dass auf jeden Lastwagen, der Holz ankarrt, fünf Laster mit Stahlbeton kommen.

Höchstes Holzhaus in Wien

Die Vorzüge von Holz haben sich auch andernorts herumgesprochen. In Neu-Delhi plant das Pariser Architekturbüro Vincent Callebaut sechs durchgrünte Hochhaustürme, bei denen überwiegend regionales Holz verbaut werden soll. In Stockholm ist ein 40-stöckiger Wohnturm aus Holz geplant.

Und in Wien entsteht derzeit das mit 84 Metern höchste Holzhochhaus der Welt. Holz erobert die Großstädte. Die Bauarbeiten für das 65 Millionen Euro teure "HoHo Wien" haben vor kurzem begonnen. 2018 soll das Gebäude fertig sein. Die größte Herausforderung für die Bauherren ist dabei nicht etwa die Statik, sondern die Tragfähigkeit und der Brandschutz.

Bei der Holzkonstruktion werden vorgefertigte Elemente aus Brettsperrholz (CLT) verbaut, die als äußerst robust gelten und kombiniert mit Massivholzwänden ideal für Systembauweise geeignet sind. Bei diesen speziellen CLT-Platten werden Holzplatten schichtweise über Kreuz verleimt. Dadurch erhöht sich die Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegen Kälte und Nässe.

Dennoch sind dem Material Grenzen gesetzt. Ab einer gewissen Gebäudehöhe können auch CLT-Elemente die Lasten nicht mehr aushalten. In einigen Ländern wie Russland oder Kanada gelten daher Höhenbegrenzungen für Holzhäuser.

Schutzbeschichtungen und Sprinkleranlagen

Zwar fehlt bei den Holzhochhäusern Beton, der eine zusätzliche Feuerschutzschicht zwischen die Etagen legt, doch die Brandgefahr konnte durch entsprechende Schutzbeschichtungen und Sprinkleranlagen eingedämmt werden, sagen die Planungsbüros der Architekten. Während Holz langsam und berechenbar abbrennt, brechen Stahlträger unkontrolliert ein.

Dennoch wäre es verfehlt, Holz als den "neuen Beton" zu feiern, wie in einigen Wissenschaftsblogs behauptet. Der Rohstoff wächst nur langsam nach, und wenn nun Wälder für zertifiziertes Holz gerodet werden, stellt sich schnell ein Grenznutzen der ökologischen Nachhaltigkeit ein.

Holz ist allenfalls eine Alternative, dafür aber eine langlebige. Der Horyu-ji-Tempel in der japanischen Stadt Ikaruga, der um 600 nach Christus aus Holz errichtet wurde und zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, hat in seiner 1400-jährigen Geschichte Wind und Wetter getrotzt und mehrere Erdbeben überstanden. (Adrian Lobe aus London, 20.10.2016)