Sie sollen uns Zuschauer mehr als nur das Fürchten lehren. Sie müssen uns in ihren Bann ziehen, unsere Faszination erwecken, nachdem sie selbst zum Leben erweckt worden sind. In den Werkhallen der großen Studios ebenso wie in den privaten Ateliers werden sie seit über hundert Jahren für das Kino geschaffen, monatelang wird an ihnen gebastelt, um ihnen möglicherweise nur für einen Augenblick ihren großen Auftritt zu gönnen. Ohne sie ist die Geschichte des Films – und jene des Kinos – undenkbar: die schönen Monster.

"Very archaic, but very much fun": der Creature-Designer Stephen Chiodo mit seiner lustigen Handpuppe aus "Critters".
Foto: Viennale

In Le complexe de Frankenstein besuchen die französischen Dokumentaristen Alexandre Poncet und Gilles Penso, beide mit einschlägigem Interesse für Fantasy- und Horrorkino vorbelastet, eine ganze Reihe dieser Creature-Designer, um sie von ihrer Arbeit sowie ihren Vorbildern und Vorlieben erzählen zu lassen. Und diese sind, obwohl allesamt Männer desselben Fachs, überraschend vielfältig.

Das hängt, wie sich anhand der Interviewausschnitte zeigt, vor allem am persönlichen Zugang und ersten Kinoerfahrungen. Tom Woodruff Jr., der bei den Masken der Terminator- und Alien-Reihe maßgeblich Hand anlegte, zeigt sich etwa von nächtlichen Fernsehstunden und den handwerklichen Fähigkeiten von Ray Harryhausen beeindruckt, während John Howe, Conceptual Artist der Lord of the Rings- und Hobbit-Trilogien, vor allem seine Arbeit als Buchillustrator von Tolkien und Connaisseur des Mittelalters in die Filme einfließen ließ. Und Guillermo del Toro (Pan's Labyrinth, Hellboy) erklärt, wie eine Kreatur erst vom Drehbuch in die Erzählung aufgenommen werden muss, um ihre Wirkung entfalten zu können.

Altes Handwerk

Obwohl die kurzen Statements keine tieferen Einblicke in die Arbeiten gewähren, bilden sich anhand einzelner Kapitel thematische Linien heraus: die japanische Tradition der Stop-Motion-Technik und der Einfluss der Godzilla-Filme auf Hollywood, die Bedeutung der Physiognomie von Schauspielern für ihre Metamorphose in sinistre Geschöpfe, etwa Boris Karloffs ikonografische Darstellung in Frankenstein oder die Verwandlung von Lon Chaney, dem "Mann mit den 1000 Gesichtern", in das Phantom der Oper.

Gilles Penso

Dazwischen wird immer wieder das kulturphilosophische Terrain beackert, über Urängste philosophiert und darüber, wo das Böse seit Menschengedenken wohnt.

Le complexe de Frankenstein präsentiert sich einerseits als amüsanter Streifzug durch die Genregeschichte, andererseits als Rückbesinnung auf die Handwerkskunst. Denn bevor die Computerleistungen in die Höhe getrieben werden, ist immer noch Fingerfertigkeit gefragt: Jordan Schell (Avatar) braucht sie beim Modellieren seiner Tonfiguren ebenso wie der eloquente Steve Johnson (The Howling, The Abyss) beim Entwerfen seiner Figuren für unzählige Hollywoodfilme.

Nützliches Wissen bleibt da nicht aus: Wer verwendete zum ersten Mal Kontaktlinsen, um das Publikum in schockartigen Zustand zu versetzen? Und bei wem? (Michael Pekler, 20.10.2016)