Die Ansicht, dass Vielfalt bei Tomaten (und auch anderen Obst- und Gemüsesorten) besser ist als Armut, begann sich in jüngerer Vergangenheit langsam auch bei Konsumenten wieder durchzusetzen.

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Washington – Haushaltsweisheiten, was man in den Kühlschrank legen sollte und was nicht, gibt es genug (und mitunter widersprechen sie einander auch). Tomaten jedenfalls sollte man aus geschmacklichen Gründen nicht kühlen, bilanzieren US-Forscher um Harry Klee von der University of Florida in Gainesville.

Der Grund: Gene, die mit der Reifung zu tun haben, werden bei längerer Kühlung seltener abgelesen. Es werden daher weniger flüchtige Aromastoffe produziert. Zugleich entweichen bereits produzierte Stoffe aus der Frucht. Nach sieben Tagen habe sich die Menge dieser Stoffe in der Frucht stark reduziert, schreiben die Biologen in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). Und darunter leidet der Geschmack.

Versuchsessen

Die Forscher ließen 76 Teilnehmer frische sowie zwar reife, aber sieben Tage bei fünf Grad Celsius gekühlte Tomaten probieren. Erwartbares Ergebnis: Die frischen Tomaten schmeckten im Durchschnitt besser. Dann untersuchten die Forscher die Stoffe, die zum Geschmack der Tomate beitragen: Kohlenhydrate, organische Säuren und flüchtige Stoffe. Dabei verwendeten sie eine alte Sorte und eine relativ neue Züchtung, um zufällige Spitzenwerte zu vermeiden.

Bei Kohlenhydraten und Säuren entdeckten die Biologen kaum einen Unterschied zwischen frischen und gekühlten Tomaten. Anders sah es bei den flüchtigen Stoffen aus, die so heißen, weil sie durch die Stängelnarbe entweichen können. Deshalb müssen sie von den Zellen der Frucht ständig nachproduziert werden, sonst verliert die Tomate an Geschmack. Doch genau dieses Nachproduzieren ist bei der gekühlten Frucht bei vielen Stoffen heruntergefahren.

Klee und sein Team untersuchten 66 flüchtige Stoffe, zu denen unter anderem Lipide und Alkohole gehören, aber auch für die Fruchtreifung wichtige Komponenten. Dazu werteten sie insbesondere aus, wie viele Genabschriften in Form von RNA-Molekülen, die für die Herstellung der verschiedenen Stoffe benötigt werden, bei gekühlten und ungekühlten Tomaten vorlagen.

Nach sieben Tagen Kühlung hatte sich die Menge der flüchtigen Stoffe um bis zu 65 Prozent verringert. Bei einigen Komponenten zog die Produktion wieder an, wenn die Tomaten nach der Kühlung auf 20 Grad Celsius erwärmt wurden. Doch insgesamt blieb der Anteil der flüchtigen Stoffe auch bei diesen Tomaten deutlich unter dem der ungekühlten Früchte.

Tücken der Zucht

Harry Klee gehörte auch zu jener Forschungsgruppe, die im Jahr 2000 herausfand, dass ein Enzym namens SlCXE 1 für einen entscheidenden Geschmacksunterschied zwischen grünen und roten Tomaten sorgt. Das Enzym spaltet in den roten Früchten einen schlecht schmeckenden Stoff und verschafft ihnen so einen Geschmacksvorteil.

Vor vier Jahren dann entdeckten Biochemiker um Ann Powell von der University of California ein Gen, das in der jüngeren Geschichte der Tomatenzucht eine entscheidende Rolle spielte. Dessen Fehlen führt nämlich zu vollständig roten Früchten. Ursprünglich waren reife Tomaten um den Stängelansatz herum grün. Doch da die vollroten Paradeiser sich besser verkauften, bauen Züchter seit etwa 70 Jahren fast nur noch Sorten mit dieser Eigenschaft an. Leider war das herausgezüchtete Gen aber auch für die Bildung wichtiger Aromabestandteile wie Zucker und Carotinoide zuständig – moderne Tomatensorten schmecken deshalb im Vergleich zu alten meist fade. (APA, red, 22. 10. 2016)