Herbert Prohaska: "In Italien geht der Meistertitel über alles. Die Roma wird den einen oder anderen Stammspieler schonen."

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Wien – Der erste Gedanke nach der Auslosung sei gewesen: "Blöd gelaufen." Wenn die Austria am Donnerstagabend (21.05 Uhr, live Sky, Puls 4) in der Europa League bei der AS Roma gastiert, wird Herbert Prohaska in New York vielleicht bei einem Kaffee sitzen. Der seit langem geplante Ausflug mit seiner Frau geht vor, Österreichs Jahrhundertfußballer kann "seiner" Austria die Daumen nur aus der Ferne drücken.

Welchen der beiden Clubs die Sympathien gelten, ist für Prohaska klar. "Ich war immerhin 18 Jahre bei der Austria. Aber natürlich hoffe, ich dass beide Mannschaften weiterkommen", meint der 61-Jährige. Dennoch: In Rom genießt Prohaska noch immer Legendenstatus, "das wäre bei nur einem Jahr bei der Austria wohl nicht der Fall gewesen."

Meistertitel nach 41 Jahren Pause

1982/83 spielte der Wiener für die Römer und holte mit dem Club den ersten Meistertitel nach 41 Jahren Pause. "Es war eine Sensation", erinnert sich Prohaska heute. Erst vor Saisonbeginn war er von Inter Mailand aus dem reichen Norden Italiens in die Hauptstadt gewechselt. Die Roma war damals nicht unbedingt eine Topadresse.

"Als ich von Inter gekommen bin, war die Mannschaft zuvor im Mittelfeld. Aber man hat gesehen, dass der Club wächst. Nun ist die Roma in Italien in den letzten 20 Jahren und länger immer in der Spitze dabei", erklärt sich Prohaska die Bedeutung seines Ex-Vereins. Mit drei Meistertiteln liegt die Roma im italienischen Titelranking nur auf Platz acht. 2001 holten Francesco Totti und Co. zuletzt den Scudetto, nachdem dies erstmals 1942 geglückt war.

In den vergangenen Jahren war die Roma erster Konkurrent von Serienmeister Juventus Turin. In der Vorsaison mussten die "Giallorossi" (Gelb-Roten) im Finish noch Napoli passieren lassen und landeten elf Zähler hinter Juve auf Platz drei. Die Qualifikation für die Champions League wurde gegen den FC Porto verpasst, in der Europa League hält die Roma nach einem Remis bei Viktoria Pilsen (1:1) und einem Heimsieg gegen Astra Giurgiu (4:0) ebenso wie die Austria bei vier Zählern.

Magerer Besuch zu erwarten

"Sicher sind die Chancen für die Austria nicht so groß. Aber sie müssen sich etwas zutrauen", sah Prohaska die Violetten nicht auf verlorenem Posten. Eines sei nämlich klar: alles in die Waagschale werfen werde die Roma am Donnerstag nicht. "In Italien geht der Meistertitel über alles. Die Roma wird den einen oder anderen Stammspieler schonen, davon gehe ich aus", vermutet Prohaska.

Auch das Zuschauerinteresse werde sich in Grenzen halten. Gegen Giurgiu fanden sich 13.500 Besucher im weiten Olympiastadion ("Ein größeres Ernst-Happel-Stadion") ein. Gegen die Austria wird sich ein ähnliches Bild bieten, wobei die Wiener über 1.200 Fans begleiten werden.

Für Prohaska ist die Roma nicht nur Vergangenheit. Im Gespräch weiß der Erz-Violette über den in US-Besitz stehenden Verein ebenso viel zu berichten wie über die Serie A insgesamt. Obwohl nur drei Saisonen bei Inter Mailand (1980 bis 1982) und der Roma unter Vertrag, verfolgt Prohaska die italienische Liga noch genau – und sieht nicht nur Positives. "Die Zuschauerzahlen sind fast erschreckend, die Karten zu teuer. Als wir im Meisterjahr gegen Ascoli 54.000 im Stadion hatte, hat der Präsident gesagt, dass uns die Anhänger im Stich lassen."

"Die Leute sitzen lieber zu Hause"

Heute kann die Roma von solchen Zahlen nur träumen. Gerade im Derby gegen Lazio könne das Olympiastadion rund 70.000 Zuschauer fassende Olympiaoval einigermaßen gefüllt werden. Im Spitzenspiel gegen Inter (2:1) kamen in dieser Saison etwas mehr als 36.000 ins Stadion. "Die Leute sitzen lieber zu Hause und schauen sich die Spielen im Pay-TV an."

Im Rückblick an seine Zeit in Rom mischt sich jedoch auch ein wenig Wehmut. Seinen Abgang bezeichnet Prohaska auch heute noch als "katastrophal". Der Verein löste den Vertrag auf, nachdem der zunächst abgewanderte Brasilianer Falcao schlussendlich doch auf seinen Vertrag pochte. Da mit dessen Landsmann Cerezo bereits eine Nachfolger gefunden war, waren drei der damals nur zwei verfügbaren Legionärsplätze besetzt. Die Trennung von Prohaska kam dem Club billiger.

"Zwei Jahre später hat der Präsident zu mir gesagt, es war der größte Fehler, den er jemals gemacht hat", erinnert sich Prohaska. Für ihn sei damals "eine Welt zusammengestürzt. Ich wollte nichts mehr wissen von Italien". 1983 ging der Regisseur dann auch zur Austria zurück.

Heute kommt Prohaska wieder gerne nach Rom. Zu diversen Jubiläums- und Benefizspielen wird der Wiener eingeladen. "Das mache ich sehr gern. Es gibt noch immer Lokale, die sich freuen, wenn ich komme." Auf der Straße erkenne ihn jedoch niemand mehr. "Meine Haare sind weniger geworden, der Bart ist weg. Aber unerkannt zu bleiben ist auch angenehm." (APA, 18.10.2016)