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Eine Maus mit Babys, die von japanischen Stammzellforschern aus "künstlichen" Eizellen hergestellt wurden. Die erstmals erfolgreichen Versuche könnten eine kleine Revolution für die Reproduktionsmedizin bedeuten.

AP

Fukuoka/Wien – Wird so die Zukunft der menschlichen Fortpflanzung aussehen? Sex würde vollends überflüssig, denn die Frau müsste nur noch ein paar Zellen aus der Haut liefern, aus der im Labor die Eizellen entwickelt werden. Diese befruchtet man dann im Reagenzglas mit Spermien, die man ebenfalls in vitro erstellt. So könnten auch gleichgeschlechtliche Paare genetisch eigene Kinder haben.

Die Befruchtung erfolgt im Reagenzglas. Dabei würde eine rigide Qualitätskontrolle möglich: Man könnte den einzupflanzenden Embryo nach verschiedensten Kriterien auswählen – nicht nur, um genetische Defekte zu vermeiden oder die Neigung zu Krankheiten, sondern auch nach Aussehen oder womöglich sogar nach den Anlagen für Intelligenz.

Zukunft der Reproduktion?

Diese und ähnliche Szenarien beschreibt der Rechtswissenschafter Henry Greely (Stanford University) in seinem neuen Buch The End of Sex and the Future of Human Reproduction. Von dieser Zukunft sind wir wohl noch einige Jahre, eher wohl Jahrzehnte entfernt, doch in Laboren rund um den Globus wird längst daran gearbeitet.

Eine führende Rolle haben dabei seit einigen Jahren Forscher aus Japan inne. Das liegt vor allem daran, dass es mit Shin'ya Yamanaka 2006 auch ein japanischer Stammzellenforscher war, der die Rückprogrammierbarkeit von "erwachsenen" Zellen in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) entdeckte, wofür er 2012 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie erhielt.

Der neueste Durchbruch, der aus Japan gemeldet wird, ist wissenschaftlich weniger spektakulär als Yamanakas Entdeckung. Aber das, was einem Team um Katsuhiko Hayashi (Uni Kyushu) gelang, könnte die eingangs skizzierten Szenarien eher früher als später Wirklichkeit werden lassen. Wie die Forscher im Fachblatt Nature berichten, schafften sie es erstmals, fruchtbare weibliche Eizellen (von Mäusen) im Reagenzglas aus Hautzellen zu erzeugen, die aus dem Bindegewebe des Mäuseschwanzes entnommen und zuerst in iPS-Zellen rückverwandelt worden waren. Gleichsam als Beweis für das erstmalige Gelingen dieses Verfahrens wurden die künstlich hergestellten Eizellen befruchtet; die daraus entstandenen Mäuse waren nicht nur gesund, sondern ebenfalls fruchtbar, wie die Forscher berichten.

Noch geringe Erfolgsquoten

Hayashi und seine Kollegen arbeiten bereits seit Jahren an der Perfektionierung dieser künstlichen Herstellung von Eizellen, waren aber immer wieder daran gescheitert, auch tatsächlich fruchtbare Eizellen in der Petrischale zu produzieren. Nun entwickelten sich elf von 316 Embryonen (3,5 Prozent) nach einer Schwangerschaft in Leihmüttern zu lebensfähigen Nachkommen.

Auch aus diesem Grund dauerte die Begutachtung dieser Arbeit bei Nature fast ein Jahr lang. Dazu kam wohl der Skandal um eine Studie aus Japan, bei der fälschlich die Rückverwandlung in iPS-Zellen durch ein einfaches Säurebad beschrieben worden war.

Experten zeigten sich durchwegs beeindruckt vom Erfolg der Forscher und verweisen auf dessen mögliche Folgen: Für Thomas Zwaka (Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York City) stehen wir damit knapp davor, die komplette Kontrolle über unsere Keimbahn zu bekommen. Via Gen-Editieren könne man dann noch gezielt in die genetische Information eingreifen. Das Potenzial, aber auch die Gefahren seien vergleichbar mit dem Klimawandel oder der künstlichen Intelligenz. (tasch, 17.10.2016)