Seit Juli steht Mittelfeldspieler Uroš Matić bei Sturm unter Vertrag und zieht die Fäden im Spiel der Grazer.

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Sturm hat seine bisherigen zwei Saisonspiele gegen RB Salzburg gewonnen, Matić gelang gleich zum Auftakt ein Tor gegen den Meister.

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In Graz fühlt sich Matić wohl, mit seiner Familie genießt er etwa den Schlossberg und die Aussicht über die Stadt.

Wien/Graz – "[I] hope nothing will bring you away, please stay all day", singt ein unbekannter Anhänger des SK Sturm zur Melodie von David Bowies "Heroes". Es ist eine Liebeserklärung an Uroš Matić. Der ist geschmeichelt, denn "Fußball ist das, was ich liebe". Seit Sommer zieht der 26-jährige Mittelfeldspieler die Fäden im Spiel der Grazer und begeistert die Fans. Dass Sturm die Tabelle nach elf Runden anführt, trägt wohl auch zur Begeisterung bei. "Ich werde so weiter machen, um für immer in ihren Herzen zu sein", hat Romantiker Matić noch einiges vor.

Vor drei Monaten hat der Serbe einen Zweijahresvertrag plus Option unterschrieben. Sturms sportliche Abteilung hat im Sommer beinahe die halbe Mannschaft ausgetauscht und unter anderem Matić für das zentrale Mittelfeld verpflichtet – eine bei den Grazern zuletzt selten gut besetzte Position. "Unglaublich, wie er die Fäden zieht. Wenn man sieht, wie er in die Zweikämpfe geht und gleichzeitig die Offensive forciert – das ist großartig", schnalzte Sky-Experte Heribert Werber nach dem 3:1-Sieg über die Wiener Austria im August mit der Zunge. Auffallend ist Matić Schnelligkeit am Ball, seine weiten Laufwege und sein Passspiel mit der Übersicht, Räume aufzureißen und zu nützen und so im Spiel Regie zu führen. "Es ist meine Aufgabe, mein Team zu unterstützen und zu lenken – wie ein kleiner Anführer auf dem Feld", sagt er.

Von Serbien über Portugal

Matić wuchs in einem kleinen Dorf namens Vrelo im Süden von Belgrad auf. Die Mutter aus Mazedonien, der Vater aus Serbien, der einzige Bruder ist zwei Jahre älter. "Als Jugendliche haben wir in vielen Vereinen in Serbien gemeinsam gespielt", erzählt er. Sein Bruder heißt Nemanja und spielt beim FC Chelsea. "Einen Bruder zu haben, ist besonders", sagt Matić, "aber wenn du die Möglichkeit hast, mit ihm Fußball zu spielen, ist das noch spezieller." Die Kinder Uroš und Nemanja waren nie viel im Haus, haben lieber draußen gespielt. Meistens Fußball oder Basketball. "Wir haben die gleiche Mentalität: Uns gefällt es nicht, zu verlieren."

Vor acht Jahren verließ Matić Serbien, denn "dort ist es für junge Leute schwierig. Es gibt nicht so viele Möglichkeiten, um besser zu werden." Er folgte seinem Bruder in die Slowakei zum FC VSS Košice. Ein richtiger Schritt, sagt der 26-Jährige heute. Von dort schaffte er 2013 den Sprung zu Benfica Lissabon und spielte in der zweiten Mannschaft. Das Engagement hielt aber nur ein halbes Jahr, "es gab so viele Spieler auf meiner Position. Aber bei jedem Trainer kannst du Neues lernen." Matić ging nach Holland zu NAC Breda – und schlug ein. In den vergangenen zweieinhalb Jahren absolvierte er 85 Spiele in der ersten und zweiten niederländischen Liga, machte sechs Tore und zwölf Assists. "Breda war eine gute Wahl für mich", resümiert er.

Und dann kam Sturm. Nach nur einem Gespräch mit Trainer Franco Foda und Sportdirektor Günter Kreissl war sich Matić ob des Wechsels sicher: "Ich habe Ambitionen gesehen, die ich mag: eine Gewinner-Mentalität, professionelle Arbeit und tolle Fans", sagt er. Die vergangene Saison war für Sturm mit Platz fünf durchschnittlich. Die Grazer hatten traditionell einen Europa-League-Startplatz als Ziel ausgegeben und verfehlt. Jetzt liegt der Klub mit acht Punkten Vorsprung auf dem ersten Platz. "Natürlich ist es schön, die Tabelle anzusehen, aber es ist nur eine Momentaufnahme. Die Saison ist lang", sagt Matić.

"Möglichst jedes Spiel gewinnen"

Im Fußball könne eben alles passieren. Daran, ob der Titelgewinn für Sturm tatsächlich realistisch ist oder nicht, will Matić nicht denken, sondern von Spiel zu Spiel schauen. "Im April oder im Mai werden wir dann sehen, wo wir stehen. Wir müssen mit beiden Beinen am Boden stehen und hart arbeiten." Er hofft auf einen Europa-League-Startplatz, "aber man weiß nie. Vielleicht spielen wir auch in der Champions League," sagt Matić und lacht. Es sei außerdem wichtig, dass die Spieler ihre Arbeit lieben und "dass jeder mit einem Lächeln zum Training kommt." Uroš Matić, im Nebenberuf Romantiker.

In Graz fühlt er sich jedenfalls wohl, mit Ehefrau Jelena und seinem zweijährigen Sohn genieße er jeden Tag. Auch Nemanja Matić ist zufrieden mit dem neuen Verein seines Bruders, "er verfolgt jedes Spiel". Über einen Wechsel in eine größere Liga will er ebenso nicht nachdenken wie über das Nationalteam. In Kontakt stehe er mit dem mazedonischen Team, doch sich zu entscheiden sei schwierig. "Ich will einfach den Moment genießen und mich auf meine Arbeit konzentrieren, um möglichst jedes Spiel zu gewinnen", sagt er. Und die Fans in Graz singen wohl so lange weiter. (Katharina Siuka, 18.10.2016)