Gernot Schieszler, Hauptzeuge in verschiedenen Telekom-Prozessen, ist der bisher einzige Fall in Österreich, bei dem die Kronzeugenregelung tatsächlich zur Anwendung kam.

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Wien – Nach langem Verhandeln soll die strafprozessuale große Kronzeugenregelung – wie vielfach berichtet – um weitere fünf Jahre verlängert werden, da die bisherige Regelung mit Jahresende abläuft. Die neue Fassung der Kronzeugenregelung wurde nunmehr zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt und dem Nationalrat am 18. Oktober 2016 als Regierungsvorlage übermittelt. Ob die neue Kronzeugenregelung in der von der Bundesregierung gewünschten Form in Kraft treten wird, ist offen. Immerhin werden strafrechtliche Reformvorschläge gerne auch noch im Parlament abgeändert, wie es etwa bei der jüngsten Reform des Strafgesetzbuches geschehen ist.

Ob Österreich überhaupt eine Kronzeugenregelung braucht, wurde im Vorfeld vielfach diskutiert. Vor allem, weil die bisherigen Bestimmungen in der Praxis nur in wenigen Fällen tatsächlich angewendet wurden. Der bekannteste Fall ist die Telekom-Affäre.

Das ist nicht weiter überraschend. Denn die in Kürze auslaufende Rechtslage kann aufgrund der unklar definierten Voraussetzungen sowie des langwierigen Verfahrens zur Erlangung des Kronzeugenstatus kaum als praxistauglich angesehen werden. Mit vornehmer Zurückhaltung, aber inhaltlich durchaus treffend, beschrieb Justizminister Wolfgang Brandstetter in einer ORF-Pressestunde vor rund einer Woche die aktuell geltenden Regelungen als "suboptimal".

Bemüht und doch erfolglos

Evident ist jedenfalls, dass eine Weiterführung der Kronzeugenregelung notwendig ist. Denn die regelmäßig schwierige Beweislage bei Wirtschaftsstrafverfahren hat in den vergangenen Jahren eindrucksvoll gezeigt, dass eine Unterstützung der Ermittlungen durch an der Straftat beteiligte Personen durchaus hilfreich wäre.

Die Meldung, dass die strafrechtliche Kronzeugenregelung in die Verlängerung geht, ist daher grundsätzlich sehr zu begrüßen. In besagter Pressestunde kündigte Justizminister Brandstetter drei wesentliche Neuerungen an, die auch in der Regierungsvorlage zu finden sind: eine klarere Fassung der Voraussetzungen zur Erlangung des Kronzeugenstatus, frühere Gewissheit über dessen Zuerkennung und Rechtsmittel gegen diese Entscheidung – eine klare Verbesserung zum aktuellen Stand. Aber werden diese Änderungen dazu führen, dass die Bestimmungen häufiger angewendet werden?

Aussageverweigerungsrecht

Die genannten Novellierungen beseitigen den wahren Knackpunkt der "Suboptimalität" der bisherigen Regelung nicht wirklich. Dieser liegt vor allem darin, dass die Kronzeugenregelung eine Vorleistungspflicht des Kronzeugen vorsieht, der sein Wissen uneingeschränkt offen legt und damit freiwillig auf sein Aussageverweigerungsrecht, das wichtigste Beschuldigtenrecht, verzichtet. Die Staatsanwaltschaft entscheidet erst nach erfolgter Offenlegung, ob der Kronzeugenstatus zuerkannt wird.

Nicht für "Haupttäter"

Kolportiert wird, dass der Kronzeugenstatus für jemanden, der einen führenden oder mitbestimmenden Tatbeitrag geleistet hat – vom Justizminister in der genannten Pressestunde als "Haupttäter" bezeichnet –, aus guten Gründen ausgeschlossen bleiben wird.

Doch wie soll der Kronzeuge vor seiner Aussage wissen, ob er aus Sicht des Staatsanwalts nicht überraschenderweise doch ein "Haupttäter" ist und ob seine Aussage wesentlich zur Aufklärung beiträgt?

Freilich wird die klarere Fassung der Voraussetzungen zur Erlangung des Kronzeugenstatus ein Schritt in die richtige Richtung sein. Doch gerade bei komplexen und von Beweisschwierigkeiten begleiteten Wirtschaftsstrafverfahren verbleibt der Staatsanwaltschaft zwangsläufig ein sehr weiter Ermessens- und Auslegungsspielraum, der für viele potenzielle Kronzeugen abschreckend sein wird.

Eine wirksame Fassung der neuen Kronzeugenregelung sollte reflektieren, dass die Bestimmungen Personen, die eben nicht "Haupttäter" sind, eine prognostizierbare Brücke zurück in die Normalität und Legalität bieten müssen. Die Veröffentlichung der bisherigen Praxis und Erstellung von Anwendungsrichtlinien, wie sie im Kartellrecht bekannt sind, würden zusätzliche Sicherheit bieten.

Vielleicht erwägt der Gesetzgeber auch noch, potenziellen Kronzeugen die Möglichkeit einzuräumen, ihr Wissen vor einer von der ermittelnden Staatsanwaltschaft getrennten Institution zu offenbaren, wie es etwa die prozessrechtlich bereits etablierten Haft- und Rechtsschutzrichter sein könnten. Diese könnten entscheiden, ob einer Person der Status als Kronzeuge zuerkannt wird und zwar bevor die Informationen an die Strafverfolger gehen.

Die härteste Strafe

In welchem Umfang und in welcher Formulierung die Regelungen auch immer Einzug in die Strafprozessordnung finden werden, in der Praxis ist eines klar: Für viele Beschuldigte wird schon alleine die Präsenz in einem medienwirksamen Strafverfahren die härteste Strafe sein, egal ob als Kronzeuge oder nicht. (Andreas Pollak, 26.10.2016 – Update des Artikels aus Wirtschaft & Recht vom 15.10.2016)