Den Blick starr auf die körperliche Schwerarbeit gerichtet: Salomé Lamas' Dokumentarfilm "Eldorado XXI".

Foto: Viennale

Höhenluft mag zwar als gesund gelten, in La Rinconada, der höchstgelegenen Stadt der Welt, siedeln sich dennoch nur jene an, die andernorts keine Chance mehr sehen. In der auf 5100 Meter Höhe in den peruanischen Anden gelegenen Siedlung gibt es weder fließendes Wasser noch eine Kanalisation, wohl nur die beständige Kälte verhindert den Ausbruch von Seuchen. Im Berg gibt es jedoch Gold, das größtenteils manuell, mit einfachsten Werkzeugen abgebaut wird.

Die Weite des Berges und die Enge der Hütten in prächtigen Bildern einzufangen drängt sich förmlich auf, der Dokumentarfilm Eldorado XXI widersetzt sich in seiner ersten Hälfte jedoch jeder Übertragung dieses Höllenorts in geschmackvolle Aufnahmen. Über 50 Minuten lassen die portugiesische Filmemacherin Salomé Lamas und Kameramann Luis Armando Arteaga die Linse starr in einer Einstellung verharren, zeigen unzählige Minenarbeiter einen von Müll gesäumten Pfad hinauf- und hinabsteigen. Während es immer dunkler wird, mischen sich aus dem Off nüchterne bis erschreckende Erzählungen der Bewohner La Rinconadas mit schrillen Radiospots. Während man so je nach Spanischkenntnissen mit Hören oder Lesen beschäftigt ist, bleibt es allein der eigenen Fantasie überlassen, die Bilder für das Geschilderte zu finden.

Die zweite Stunde gerät konventioneller – und wirkt zunächst durchaus befreiend, wenn auf das nur durch Stirnlampen erleuchtete Dunkel des ersten Akts ein gleißend helles Bergpanorama folgt. Erneut oft starre, jedoch wesentlich kürzere Einstellungen zeigen Aspekte des Alltags in der Goldgräberstadt: plaudernde Frauen beim Koka-Kauen, Straßenszenen, maskierte Reggaeton-Tänzer und schließlich eine katholische Prozession, bei der auch einmal die Sonne scheinen darf.

Letztlich erscheinen diese nur angerissenen, unkommentierten Szenen jedoch lediglich wie ein Nachspiel auf das zuvor evozierte Kopfkino, dieses unheilvolle Gemisch aus Frauenklagen, Wahlwerbungen und den Hoffnungen, die man auf das Opfern menschlicher Organe setzt. Gerade durch die Verweigerung des Naheliegenden sorgt Lamas schließlich dafür, dass sich Eldorado XXI vom herkömmlichen filmischen Elendstourismus abhebt und sich nachhaltig ins Gedächtnis eingräbt. (Dorian Waller, 14.10.2016)