Eine Maschinenhalle in der Schweiz – die Automatisierung frisst alte Jobs.

Als "Maschinensteuer" sorgt die Wertschöpfungsabgabe in österreichischen Wirtschaftskreisen für Empörung, seit Bundeskanzler Christian Kern sie im Juni wieder ins Spiel gebracht hat: Nicht die Lohnsumme entscheidet, wie viel ein Betrieb an das Sozialsystem bezahlt, sondern die gesamte Wertschöpfung, also auch jener Teil, der ohne Arbeitseinsatz erwirtschaftet wird. Das soll Arbeit verbilligen und neue Jobs schaffen auf Kosten arbeitsverdrängender Investitionen.

Eine solche Steuer auf Investitionen sei innovationshemmend und würde daher langfristig Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Arbeitsplätze kosten, warnen die Kritiker.

Nur Frankreich und Italien

Vielleicht haben sie recht, vielleicht aber auch nicht. Es gibt zu dieser fiskalpolitischen Maßnahme weltweit kaum Erfahrungswerte. Eine ähnliche Abgabe existiert nur in Frankreich zur Finanzierung von Familien- und Pflegeleistungen und eingeschränkt in Italien.

Wenn andere Länder diesen Weg nicht einschlagen, dann hat das wahrscheinlich einen guten Grund, sagen Skeptiker. Aber vielleicht haben sich bloß bisher andere nicht getraut. Und in Dänemark, wo das Sozialsystem einschließlich der Pensionen zum Großteil über Steuern finanziert wird, fließen bereits jetzt Kapitalerträge in den Sozialtopf.

Lohnnebenkosten sind zu hoch

Aber es gibt starke Gründe dafür, die immer teureren Sozialausgaben nicht nur über Lohnnebenkosten zu finanzieren, vor allem da die Automatisierung immer mehr traditionelle Jobs bedroht. Denn dass die Belastung der Arbeit in Österreich zu hoch ist, behaupten ja gerade jene Wirtschaftsvertreter, die am lautesten gegen die Maschinensteuer schreien. Und anders als oft dargestellt wäre eine solche Reform keine Mehrbelastung für die Wirtschaft, sondern nur eine Umschichtung.

Nun werden ökonomische Studien gegen den Vorschlag in Stellung gebracht. Die Agenda Austria hat festgestellt, dass eine Wertschöpfungsabgabe kleine Betriebe härter treffen wird als große – und auch jene, die wenige Maschinen haben. Das zumindest war die Hauptaussage ihrer Expertin Monika Köppl-Turyna in zahlreichen Medien.

Vermutungen der Agenda Austria

Ich habe viel Respekt für die Mitarbeiter der Agenda Austria für ihre Fähigkeit, aus Daten und Statistiken sinnvolle Schlüsse zu ziehen, die oft der vorherrschenden Meinung widersprechen – etwa wenn es um Armut und Ungleichheit geht. Aber hier gibt es keine Daten, sondern nur Vermutungen. Und diese überzeugen auf den ersten Blick nicht.

Das von Kern favorisierte Modell beschränkt sich auf den Familienlastenausgleichsfonds (Flaf), an den Arbeitgeber 4,5 Prozent der Lohnsumme abliefern müssen. In Zukunft sollen stattdessen 2,4 Prozent von Löhnen, Gewinnen und Aufwendungen in den Topf fließen.

Ob klein oder groß, ist egal

Das trifft all jene Betriebe, die für ihre Leistung relativ wenig Einsatz durch angestellte Mitarbeiter benötigen, weil entweder der Eigentümer die Leistung erbringt (Freiberufler) oder aber Maschinen dies tun. Profitieren tun Unternehmen mit hoher Beschäftigung und geringer Wertschöpfung – der Handel etwa.

Warum dies kleinere Firmen mehr treffen sollte als große, wie die Agenda Austria behauptet, ist fraglich. Die Fronten würden quer durchgehen. Die OMV – viel Umsatz pro Mitarbeiter – würde wohl mehr bezahlen, die fast genauso große Post AG weniger. Der Webdesigner, der nur Werkverträge vergibt, mehr, das Blumengeschäft weniger.

Gut für kreative Dienstleister

Manche Betriebe mit wenigen Maschinen wären stark betroffen, viele mit hoher Automatisierung allerdings auch. Junge kreative Dienstleister mit vielen Mitarbeitern, etwa neue Zustelldienste, würden sich Geld ersparen. Auch die fördern die Produktivität und das Wachstum.

Gewisse technologische Innovationen könnten gebremst werden, bei einer Belastung von 2,4 Prozent aber sicher nicht sehr viele. Wenn es die Beschäftigung in neuen Branchen erhöht, dann lässt sich eine solche Nebenwirkung rechtfertigen. Andererseits ist es möglich, dass die erwünschten Jobeffekte ausbleiben.

Der Schaden bleibt verkraftbar

Das gesamte Sozialsystem mit Krankenkassen und Pensionen auf einen Schlag auf eine Wertschöpfungsabgabe umzustellen, wie es viele in der Gewerkschaft und der SPÖ gerne sähen, wäre wirtschaftspolitischer Irrsinn. Aber das Flaf-Modell ist so eingeschränkt, dass der potenzielle Schaden überschaubar und verkraftbar bleibt.

Im Sinne einer intelligenteren, weniger ideologischen Debatte sollte sich die Koalition dazu durchringen, den Flaf – aber nur ihn – ab 2018 tatsächlich über eine Wertschöpfungsabgabe zu finanzieren. Dieser Prozess muss von objektiven ökonomischen Studien begleitet werden, die auch mit Geldern der EU bezahlt werden könnten. Denn an den Ergebnissen wäre ganz Europa interessiert.

In fünf oder zehn Jahren wüssten wir dann mehr – und wären nicht aufs Kaffeesudlesen der Agenda Austria oder die rosigen Szenarien der AK-Experten angewiesen. (Eric Frey, 13.10.2016)