Holzaufschluss lautet das Zauberwort in der Papierindustrie, sodass die Substanzen als Ausgangsstoff etwa für Chemikalien dienen,so Max Oberhumer.

Foto: Robert Newald

STANDARD: Schon bisher wird aus Holz sehr viel hergestellt – Zellstoff, Papier, Energie. Unter dem Schlagwort Bioraffinerie kommt jetzt noch mehr dazu. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Oberhumer: Es wird künftig völlig neue Anwendungen geben, die aus der Zellulose-Faser stammen oder aus dem Bindestoff Lignin. Daraus wird man Produkte entwickeln können, die eine höhere Wertschöpfung ermöglichen als bisher.

STANDARD: Es gibt bereits solche Produkte?

Oberhumer: Ja, das bekannteste ist die Viskose in der Fasererzeugung, so wie es Lenzing macht. Das ist eine etablierte, marktgängige Produktrichtung. Es wird aber aus der Zellulose des Holzes viel mehr gemacht werden können. Zum Beispiel Nanofasern, die extrem fein sind, wesentlich feiner als ein menschliches Haar und extrem reißfest. Die Faser kann in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Beim Lignin gibt es ebenfalls intensive Forschungen, zum Beispiel, wie man diesen Stoff bei der Farbenherstellung verwenden kann. Derzeit wird Lignin als Lauge thermisch genutzt, also verbrannt. Man kann also davon ausgehen, dass die Wertschöpfung erhöht wird, wenn man etwas anderes damit macht.

STANDARD: Tritt die Papierindustrie in Konkurrenz zur Erdölindustrie? Etwa wenn aus Biomasse Kunststoffe hergestellt werden?

Oberhumer: Kunststoffe, die derzeit auf Erdöl basieren, können künftig eine Symbiose mit Stoffen aus Holz sein. Also ja: Da entsteht eine Konkurrenz. Teilweise gibt es solche Anwendungen schon: Brillenetuis oder Handyhüllen sind normalerweise aus Kunststoff, können aber künftig auch aus biogenen Stoffen hergestellt werden. Das hat viele Vorteile – nicht nur, dass z. B. Autos leichter werden und dadurch wertvoller Treibstoff gespart wird. Auch der Recyclingprozess ist bei biomassebasierenden Stoffen einfacher. Man kann mehrfach rezyklieren und am Ende verbrennen.

STANDARD: Die Entwicklung der Zellstoff- und Papierindustrie hin zur Bioraffinerie ist international. Was macht Österreich?

Oberhumer: Es gibt mehrere Forschungsprojekte, zum Beispiel Flippr, Future Lignin and Pulp Processing Research, an dem neben den Industriepartnern auch drei Universitäten beteiligt sind. Und jedes Unternehmen unserer Branche arbeitet auch intern an jeweils speziellen Themen. Vielfach hängt man diese Forschungen nicht an die große Glocke.

STANDARD: Welche Rolle sollte da eine Ökostromgesetzgebung spielen?

Oberhumer: Die Biomassenutzung zur Stromerzeugung ist eine politische Entscheidung und hat mit dem Klimaschutz zu tun und der Vermeidung von fossilen Kohlendioxidemissionen. Die Papierindustrie unterstützt die Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele. Durch das Ökostromgesetz wird aber die Holznutzung in eine Richtung gelenkt, die aus unserer Sicht nicht ideal ist. In Österreich wird eine jährliche Holzmenge von ca. 40 Millionen Festmetern genutzt. Da ist alles enthalten, was biogenen Ursprungs ist, also auch Sträucher oder Altholz. Die tatsächliche Erntemenge aus den Forstbetrieben liegt bei 17 bis 18 Millionen Festmetern. Aufgrund des Waldwachstums wären vier bis fünf Millionen mehr möglich. Wir habe für Zellstofferzeugung acht Millionen Festmeter, müssen aber mehr als 30 Prozent importieren.

STANDARD: Aber es gibt ein Überangebot an Holz und niedrige Preise. Die Nutzungskonkurrenz zwischen Papierindustrie und Biomasseanlagen kann also nicht so toll sein.

Oberhumer: Wir verwenden vorwiegend Sägenebenprodukte und Durchforstungsholz. Hievon gibt es zu wenig im Inland, sonst würden wir keine teuren Importe tätigen. An den Preisen kann es also nicht liegen, sondern an den Marktverwerfungen durch das Ökostromgesetz.

STANDARD: Dieses wird gerade novelliert. Ihre Vorstellungen dazu?

Oberhumer: Unser Vorschlag ist, dass man ein neues Ökostromgesetz so formuliert, dass es keine Einspeisetarife mehr gibt, sondern Förderungen für innovative und effiziente Anlagen. Innovation und Effizienz sollten bei den Ausschreibungen gereiht und die jeweils Besten dann gefördert werden. Das kann man jährlich machen. Die 270 Millionen Euro Förderung, die jährlich für feste Biomasseanlagen ausbezahlt werden, sollte man unabhängig von der Art der Ökostromerzeugung verteilen, sodass die höchstmögliche CO2-Einsparung erzielt werden kann. (Johanna Ruzicka, 13.10.2016)