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Keine gute Miene zum bösen Spiel: In seiner Budgetrede hatte Hans Jörg Schelling an Politikerkollegen einiges auszusetzen.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Wien – "Runter mit den Schulden, runter mit den Ausgaben, runter mit den Steuern": Auf diesen – wie er sagt – "volkstümlichen" Nenner bringt Hans Jörg Schelling seine Politik. Und diesen Weg, verspricht der Finanzminister, "werde ich unbeirrt weiter gehen".

Als einen Markstein auf seiner Route präsentierte der ÖVP-Minister am Mittwoch im Parlament das Budget für das kommende Jahr. Die Eckdaten: Die Ausgaben sinken von 78,3 auf 77,5 Milliarden Euro, doch die Einnahmen steigen stärker, und zwar von 71,8 auf 73,2 Milliarden. Unterm Strich wird der Staat kommendes Jahr folglich ein Budgetdefizit von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anschreiben.

Rechnet man konjunkturbedingte Ausgaben heraus, kommt man auf das von der EU als Maßstab verwendete strukturelle Defizit: Mit 0,5 Prozent hält Österreich das in Brüssel vereinbarte Ziel ein – aber nur, weil die Kosten für die Flüchtlinge herausgerechnet werden. Persönlich sei ihm dieses Ergebnis "nicht ambitioniert genug", sagt Schelling, doch die widrigen Umstände – abgesehen von den Integrationskosten belastet auch das schwache Wirtschaftswachstum die Staatskasse – hätten nicht mehr möglich gemacht. Als Erfolg verbucht er überdies, dass Schuldenquote 2017 laut Plan von 83,2 auf 80,9 Prozent des BIP sinkt.

Es krankt bei den Ausgaben

Dass die Richtung stimme, zeigten verbesserte Platzierungen Österreichs in diversen Standort-Rankings, sagt Schelling, zufrieden sei er aber noch lange nicht: Er will die Regierung für die Zukunft auf eine "schwarze Null" einschwören, also einen ausgeglichenen Haushalt ohne Wenn und Aber.

Dafür müsse der Staat dort ansetzen, "wo es krankt", und zwar bei den Ausgaben. Ein Bereich nach dem anderen solle per "Spending Review" auf unnötige Kosten durchsucht werden, wobei der Finanzminister natürlich schon jetzt Ideen hat, was beschnitten gehört.

Nicht zum ersten Mal fallen Schelling da die Pensionen ein. Er verschweigt zwar nicht, dass die Kosten für die allgemeine Pensionsversicherung gegenüber dem Vorjahr um 90 Millionen sinken, doch die Prognose bis 2020 weise nun einmal einen Anstieg um drei Milliarden seit 2015 aus: Der Reformdruck sei nach wie vor groß.

"Unfaire Vorgangsweise"

Deshalb sah Schelling auch wenige Stunden zuvor in der von der SPÖ forcierten Forderung nach einer 100 Euro-Sonderzahlung für Pensionisten "eine relativ unfaire Vorgangsweise". Eigentlich habe der Koalitionspartner zuerst dem gesetzlich festgelegten Wert von 0,8 Prozent Erhöhung zugestimmt, meinte Schelling am Mittwoch vor dem Ministerrat. Im Budget ist keine Extra-Zahlung eingeplant.

Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner war vor Journalisten um Kalmierung bemüht: Heute sei einmal das Budget Thema, bei den Pensionen handle es sich um ein "zeitversetztes Thema". Man sei "in guten Gesprächen".

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) pochte später allerdings weiter auf die Einmalzahlung für Pensionisten: "Wir sollten sparen, wir sollten das Budget konsolidieren, aber wir sollten es richtig machen und nicht bei den Falschen sparen", so Kern im Ö1-"Mittagsjournal". Grundsätzlich werde der Weg der Konsolidierung aber fortgesetzt.

Schelling bereite aber auch der Arbeitsmarkt große Sorgen, sagte der Finanzminister in der Budgetrede. Trotz einer großen Zahl von offenbar "nicht besetzbaren" Stellen verwalte Österreich mit immer mehr Geld immer mehr Arbeitslose – da gehörten die Maßnahmen der Arbeitsmarktverwaltung dringend überprüft.

Sticheleien gegen Kern

Seitenhiebe bekam, ohne namentlich genannt zu werden, auch Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern ab. "Das Paradies auf Pump" lehne er ab, sagte Schelling und spielte offensichtlich auf Kerns Ruf nach mehr staatlichen Investitionen in Europa an. Österreich könne mit der Kritik an fehlenden Investitionen ohnehin nicht gemeint sein, ergänzt der Finanzminister und verweist auf eine hierzulande "stabile Quote". Aktuell hebt er die aufgestockten Budgets für Innen- und Verteidigungsministerium hervor – als Mittel gegen "die großen Ängste, im eigenen Land nicht mehr sicher zu sein".

Die Kosten für die Bewältigung des Flüchtlingsandrangs – von den Asylverfahren über die Grundversorgung bis zu den Leistungen des Bundesheeres – liegen so wie heuer bei zwei Milliarden. Zum Vergleich: Im Vorjahr verschlangen die entsprechenden Posten eine Milliarde, 2014, noch vor dem großen Andrang, waren es 600 Millionen. Aufgestockt wird nach jahrelangem Personalabbau auch die Beamtenschaft: Die Zahl der Bediensteten soll, gerechnet in Vollzeitbeschäftigungen, von etwa 131.500 im Vorjahr auf 136.302 im Jahr 2017 steigen.

Zum Abschluss seiner Budgetrede kam Schelling noch einmal auf den Kanzler zurück. Er unterstütze den von Kern ausgerufenen "New Deal", aber der Mechanismus dürfe nicht ein "Kuhhandel" sein: Die Politik müsse sich von den "Rezepten der Vergangenheit" und den "altgewohnten Trampelpfaden" verabschieden – und in der Gegenwart ankommen, "wo die Menschen schon sind". (Gerald John, 12.10.2016)