Finanzstadträtin Renate Brauner muss das Wiener Budgetloch stopfen – Neuverschuldung inklusive.

Foto: Matthias Cremer

Frage: Wien muss wegen Mehrkosten für die Mindestsicherung im Budget 2016 130 Millionen Euro nachdotieren. Woher kommt das Geld?

Antwort: Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) wird im Gemeinderatsausschuss einen Antrag um Aufstockung einbringen. Das Geld muss Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) auftreiben. Sie verweist auf die Aufnahme zusätzlicher Fremdmittel. Dabei wurde im Budgetvoranschlag für 2016 – der im November 2015 veröffentlicht wurde – schon von einer Neuverschuldung in Höhe von 346 Millionen Euro ausgegangen. 172 Millionen Euro weitere Schulden waren von Brauner eingeplant, falls sich die Wirtschaft positiver als erwartet entwickelt. Brauner bezeichnet die Nachtragsdotation als "ungewöhnlich hohe Summe" – was dafür spricht, dass der Voranschlag auch mit einem angekündigten "strengen Budgetvollzug" nicht halten dürfte.

Frage: Warum sind die Kosten dermaßen gestiegen?

Antwort: Die Stadtregierung sieht mehrere Gründe. Einerseits das verhaltene Wirtschaftswachstum und die schwierige Situation am Arbeitsmarkt. Nicht zu leugnen ist auch, dass immer mehr Asylberechtigte Mindestsicherung beziehen. Laut Prognosen werden heuer rund 198.000 Personen unterstützt werden, im Vorjahr waren es rund 180.000. Die Kosten belaufen sich auf 664,3 Millionen Euro.

Frage: Sind also die Flüchtlinge schuld am Anstieg?

Antwort: 2015 waren rund 17 Prozent der Bezieher Flüchtlinge (darunter Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte). Dieser Anteil dürfte in diesem Jahr steigen. Asylwerber haben keinen Anspruch auf Mindestsicherung, sie erhalten Grundversorgung, die zu 60 Prozent aus Bundesmitteln finanziert wird. Wien hat für seinen 40-Prozent-Anteil heuer rund 104 Millionen Euro budgetiert.

Frage: Muss auch bei der Grundversorgung aufgestockt werden?

Antwort: Weil im Mai eine Nachtragsdotation in Höhe von 133,7 Millionen Euro für den Fonds Soziales Wien (FSW) vereinbart wurde (das Geld wird nicht nur, aber zu einem Großteil für Flüchtlinge aufgewendet), rechnet die Stadt nicht mit weiteren Mitteln, die benötigt werden. Die Stadt geht bis Ende 2016 von 36.000 Asylwerbern in Wien aus. Bis Mai waren 21.000 in der Grundversorgung.

Frage: Was ist dann der Grund für die Verschiebung der Budgetrede von Ende November auf Dezember?

Antwort: Das hat laut Stadt nichts mit den Flüchtlingen zu tun. Man habe mit dem Voranschlag 2017 erstmals sowohl einen Finanzrahmen als auch einen Strategiebericht vorzulegen. Das brauche eine entsprechende Vorlaufzeit, heißt es aus Brauners Büro. Sichergestellt soll werden, dass die Budgetzahlen für 2017 und die beiden Folgejahre verbindlich festgelegt werden können.

Frage: Mit dem Budget 2016 gilt es, ein strukturelles Nulldefizit einzuhalten. Wird Wien das gelingen?

Antwort: Es sieht nicht so aus. "Wenn ich Menschen für die Einhaltung des strukturellen Defizits im Stich lassen muss, entscheide ich mich lieber für die Menschen", sagte Brauner dem STANDARD. Brauner tritt weiter für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur der wachsenden Stadt ein. Prognosen zufolge wird die Stadt in diesem Jahr um 20.000 bis 25.000 Menschen wachsen.

Frage: Wie hoch ist die Verschuldung der Stadt?

Antwort: Ende 2015 betrug sie ohne ausgelagerte Unternehmen 5,42 Milliarden Euro – fast vier Mal mehr als 2007. (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, 11.10.2016)