Einer der meistdiskutierten Autoren der Saison ist der französische Soziologe Didier Eribon. Gerade sagte er in einem großen "Zeit"-Interview:

"Es gibt in Europa sehr viele Menschen, die marginalisiert sind, die verzweifelt sind, die über das, was in ihrem Leben vor sich geht, wütend sind. Die nicht nur keine Arbeit haben, sondern die sich auch nicht mehr vorstellen können, dass sie jemals wieder einen Job bekommen werden oder dass es ihren Kindern eines Tages besser gehen wird. Und diese Leute haben kaum eine Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen... Und wenn sie dann demonstrieren, wissen sie, dass das keinerlei Effekt haben wird, selbst wenn sie wie in Frankreich eine sogenannte linke Regierung haben. (Sie bekommen) zu hören, dass ihre Meinung keine Rolle spielt. Was bleibt ihnen also anderes übrig, als nächstes Mal in Frankreich FN zu wählen, in Österreich FPÖ, in Großbritannien Brexit und in Deutschland AfD?"

John Harris fragt im "Guardian" gar: "Hat die Linke noch eine Zukunft?" Sie ist, grob gesprochen, in zwei Milieus zerfallen: die urbanen linksliberalen Mittelschichtsmilieus, die internationalistisch und optimistisch sind, und die proletarischen Milieus, die ihre Felle davonschwimmen sehen und eine Schutzmacht brauchen. Nur, so Harris: Diese Milieus sind selbst mit guter Politik kaum mehr unter einen Hut zu bringen.

Hat er recht? Was folgt aus der Analyse aber dann für die Politik und für unsere Demokratie als Ganzes? (Robert Misik, 9.10.2016)