Zoltán Nyári (Tristan) und Gun-Brit Barkmin (Isolde).

Foto: Kmetitsch

Graz – Der Festgastgeber lehnt erschöpft an der Theke seiner Hausbar; einen Stock höher scheint seine Frau ein Baby herumzutragen, während sie aufs Meer blickt. Es ist jedoch kein Schiff, mit dem Tristan seinem König Marke die Frau Isolde bringt. Ihre Brautfahrt scheint in einem coolen Ambiente zu rasten und mutet reichlich seltsam an. Auch Tristans Schwert ist nur noch ein Schauobjekt an der Wand, ein Relikt aus ferner Zeit – bestaunt von Champagner schlürfenden Partygästen.

Regisseurin Verena Stoiber fischt diese Liaison aus der mythologischen Ursuppe und stellt sie aufs Podest der Gegenwart. Nachdem der Liebestrank verschüttet wurde, statt geschlürft zu werden, bricht allerdings die Sagenzeit in Form von Natur und Urfigur (König Marke hängt ein erlegter Hirsch um den Hals) in die Moderne ein: Bäume kommen von der Decke; Tristan macht Feuer, häutet und grillt für Isolde einen Hasen. Diese Momente des Naturdeliriums geraten (Bühne: Sophia Schneider, Susanne Gschwendner) zwar etwas plakativ, vertreiben die todessüchtige Poesie des 2. Aktes. Angesichts der teils überraschenden szenischen Lösungen und der psychologischen Regiekompetenz wiegt dies allerdings nicht schwer. Zumal die Inszenierung im Finale zum subtilen Kern vordringt: In einer Art Duellunfall hat Tristan König Marke erdolcht und sich anschießend selbst geblendet. Nun sitzt er als ergrauter Pflegefall im Schaukelstuhl und fantasiert sich im Dunkel der Blindheit seine Isolde herbei. Hier liefert der durchdringend-metallisch reüssierende Zoltan Nyari (Tristan) in der Todeszone einer Existenz ein Höchstmaß an Eindringlichkeit.

Isolde hat für diese Tragödie auf zwei Wackelbeinen nur noch Entsetzen übrig. Sie sucht Distanz und singt (sehr respektabel und intensiv Gun-Brit Barkmin) ihre Schlussverklärung weit abgewandt von Tristan.

Sie waren hier vielleicht schon lange ein kinderloses Paar, er hat sich den Liebestod womöglich nur herbeigesoffen. Es darf gegrübelt werden, in dieser surrealen Inszenierung. Von Talent zeugt sie jedenfalls, und sie profitierte von der Musikseite: Guido Jentjens war ein solider König Marke, auch Markus Butter (als Kurwenal) und Manuel von Senden (als Melot) trugen zum guten Niveau bei. Dshamilia Kaiser bot (als Brangäne) die klangvollste Leistung.

Dirigent Dirk Kaftan und das Orchester trugen das Ganze: Etwas Entschleunigung bei melancholischen Liniengeflechten hätte dem Poetischen mehr Innigkeit verliehen. Wie impulsiv sich das Orchester in die sich aufschaukelnden Strukturen stürzte und mit edlem Klang Energie versprühte, war formidabel. (toš, 7.10.2016)