Dort, wo der Rhein in den Untersee mündet, liegt das schmucke Schweizer Städtchen Stein am Rhein mit seinen mittelalterlichen Fachwerkhäusern – ein lohnendes Ziel für alle Bodensee-Radler.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Flavio Vallenari

Stein am Rhein.

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Das malerische Meersburg am gegenüberliegenden Seeufer leidet vor allem im Sommer unter einer Überdosis Tourismus.

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Ja, man kann den Bodensee auf dem Fahrrad komplett umrunden, und zahlreiche unermüdliche Radler tun das jedes Jahr. Aber die 270 Kilometer sind eine zähe Sache, mit langen Tagesstrecken entlang von vielbefahrenen Straßen und zeitweise wenig landschaftlichen Reizen.

Wer nicht sein ganzes Gepäck auf dem Sattel mitschleppen will und dennoch auf zwei Rädern viele der Höhepunkte des Bodensee-Radwegs erleben will, der sollte sich überlegen, einen festen Stützpunkt im nordwestlichen Teil des Sees – weit weg vom kurzen Vorarlberger Abschnitt – zu wählen, wohin man am Ende des Tages stets zurückkehren kann. Bei Konstanz nämlich teilt sich der Bodensee in zwei Arme, den nördlichen Überlinger See und den südlichen Untersee, wodurch sich dem Radler eine Vielzahl von attraktiven und grenzüberschreitenden Tagesetappen eröffnet. Anders als am viele Kilometer breiten Obersee hat man hier das andere Ufer immer im Blick, was das Radfahren selbst für konsequente Nach-vorn-Schauer etwas schöner macht.

Malerischster aller Bodenseeorte

Geografisch wäre Konstanz der beste Standort, aber die betriebsame deutsche Bodensee-Metropole verströmt nicht viel Urlaubsstimmung. Das malerische Meersburg am gegenüberliegenden Seeufer leidet wiederum vor allem im Sommer unter einer Überdosis Tourismus. Wir wählten daher das stillere Überlingen mit seiner hübschen Altstadt, dem prachtvollen gotischen Münster, der entspannten Seepromenade und einem sehr guten Radverleih (auch E-Bikes mit starken Akkus) mit einem Shop direkt am Hauptplatz.

Abgesehen vom Ortszentrum selbst verläuft hier der Radweg meist direkt am See mit schönen Ausblicken auf Wasser und Hügel. Unser Ziel für den Tag war allerdings weit: Stein am Rhein auf der Schweizer Seite gilt als der malerischste aller Bodenseeorte, mit seiner einmaligen Fassade von Fachwerkhäusern. Aber auch in vielen weniger bekannten Dörfern auf der deutschen und der Schweizer Seite sind mittelalterliche Häuser besonders gut erhalten und hergerichtet.

Abkürzungen mit der Fähre

Der Trick für Genussradler ist, die vielen Fähren und Zugstrecken zu nutzen, wenn man weiter kommen will, als es die eigenen Beine schaffen. Die Fahrzeiten der Fähren sind nicht immer aufeinander abgestimmt, und es gibt keine zentrale Info-Webseite. Aber mit etwas Planung lassen sie sich in Tagestouren einbauen. Von Überlingen etwa fährt jede Stunde ein Boot nach Wallhausen (zehn Minuten, drei Euro); dadurch erspart man sich den langen Weg über Ludwigshafen, der auf dem Bodanrück auf der Südseite außerdem zu einer echten Bergetappe fernab vom See wird, weil die idyllische Marienschlucht umfahren werden muss.

Die Blumeninsel Mainau ist vor allem mit Kindern einen Besuch wert, für sportlich Gesinnte etwas weniger – auch wegen der saftigen Eintrittspreise. Der Radweg führt weiter nach Konstanz, das sich allerdings durch einen Abstecher über die Universität umfahren lässt. So gelangt man etwas schneller zum nächsten Ziel, dem Weltkulturerbe Reichenau – einer durch einen Damm mit dem Festland verbundenen Insel mit einem bedeutenden Benediktinerkloster und mehreren höchst sehenswerten romanischen Kirchen.

Schlösser und Weine

Von ihrer Südseite fährt eine kleine Solarfähre auf die Schweizer Seite nach Mannenbach, von wo wir 17 Kilometer westwärts radelten bis Stein am Rhein, dem auch die Besuchermassen den Charme nicht nehmen können. Von dort könnte man über Radolfzell den sogenannten Untersee umrunden, auf der Südseite den Weg teilweise zurückfahren oder in den Zug steigen, der wie alle Schweizer Lokalverbindungen pünktlich jede halbe Stunde fährt. Wir wählten die zweite Variante, die uns nach 30 Kilometern Treten und einem weiteren Grenzübertritt bis ins Zentrum von Konstanz brachte. Unter den vielen Dörfern am Seeufer bietet sich vor allem Gottlieben mit seinem märchenhaften Hotel Drachenburg für eine Pause an.

Von Konstanz fährt die Autofähre regelmäßig nach Meersburg, wo Altes Schloss, Neues Schloss, ein romantischer Marktplatz und mehrere Weingüter Besucherscharen anziehen. Auf dem Rückweg nach Überlingen führt der Radweg fast durchgehend entlang des Sees, vorbei am bekannten Pfahlbaumuseum in Uhldingen und zahlreichen Campingplätzen und Strandbädern, wo sich im Sommer die Badegäste tummeln und im Herbst die Stille einkehrt. Rund 100 Kilometer haben am Ende des Tages Radcomputer und Waden registriert.

Man kann aber von Meersburg auch weiter nach Osten radeln bis Friedrichshafen mit seinem Zeppelinmuseum oder gar bis Lindau. Besser aber hebt man sich diesen Weg für einen weiteren Tag auf und genießt die Strecke Überlingen-Meersburg ein zweites Mal. In Lindau steigt man dann am besten in den Zug, der die 65 Kilometer zurück nach Überlingen (mit Umsteigen in Friedrichshafen) in rund einer Stunde schafft. Aber: Wer gerne Kilometer frisst, der muss am Bodensee nie umkehren. (Eric Frey, 7.10.2016)