"Frauen in Schwarz" protestierten am Montag in Warschau.

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Polens Frauenbewegung kann einen großen Erfolg feiern. Nach dem "schwarzen Montag", an dem landesweit rund hunderttausend Polinnen für ihre Freiheit und Würde demonstrierten, kippten Polens Parlamentarier am Donnerstag den Plan für ein nahezu totales Abtreibungsverbot. Eine Woche zuvor hatten sie den Entwurf der Bürgerinitiative "Stopp Abtreibung" in erster Lesung noch angenommen. Das "ungeborene Leben" sollte den Initiatoren zufolge von Gynäkologen, Priestern und Staatsanwälten geschützt werden – vor allem vor den werdenden Müttern, denen das Projekt grundsätzlich unterstellte, ihr eigenes Kind töten zu wollten.

Schon bisher zählt Polens Abtreibungsgesetz neben jenen in Malta und Irland zu den strengsten in der Europäischen Union. Seit 1993 kann in Polen eine Schwangerschaft nur dann legal abgebrochen werden, wenn Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter droht, die Schwangerschaft Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder aber der Fötus schwere Missbildungen aufweist. Der angebliche "Kompromiss" wurde aber von Polens katholischer Kirche und katholischen Fundamentalisten so verteufelt, dass es pro Jahr zu nicht einmal 1000 legalen Schwangerschaftsabbrüchen kommt.

Zehntausende illegale Abtreibungen

Selbst nach pränatalen Untersuchungen wird den Schwangeren oft nicht rechtzeitig gesagt, dass der Fötus ohne Schädel und Hirn, ohne Nieren und schwerbehindert zur Welt kommen wird. Die Folge: Schätzungen zufolge werden zu den knapp 1.000 legalen Schwangerschaftsabbrüchen in Polen weitere 100.000 bis 150.000 in Privatpraxen "schwarz" durchgeführt. Mehr und mehr polnische Schwangere fahren zur Untersuchung ins benachbarte Ausland, da sie das Vertrauen zu den heimischen Gynäkologen verloren haben.

Die massiven Proteste der Polinnen, denen sich auch zahlreiche Polen anschlossen, richteten sich gegen die Beschneidung der Entscheidungsbefugnis schwangerer Frauen. Selbst nach einer Fehlgeburt sollte die Frau künftig nachweisen, dass sie nicht selbst nachgeholfen hat. Eine Schwangere sollte nicht mehr selbst darüber entscheiden können, ob sie ein Kind zur Welt bringen wollte, das kurz nach der Geburt sterben würde. Manche Frauen tun dies, um sich vom Kind verabschieden zu können, andere lehnen das ab, da sie fürchten, durch die Geburt eines solchen Kindes auf immer traumatisiert zu werden.

"Geschenk Gottes"

Das Gesetz sollte die Frauen dazu zwingen, jede Risikoschwangerschaft auszutragen und auch schwerst missgebildete Kinder zu gebären. Auch vergewaltigte Frauen und Mädchen sollten das "Geschenk Gottes" austragen. Beim Abbruch sollten vergewaltigten Opfern höhere Haftstrafen drohen, als normalerweise Vergewaltiger absitzen.

Die schwarz gekleideten Frauen trauerten am "schwarzen Montag" um ihre Freiheit und Würde – sie protestierten nicht für "Abtreibung auf Wunsch", wie es katholische Fundamentalisten darstellten. Im polnischen Abgeordnetenhaus kündigen Regierungschefin Beata Szydlo und PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski an, dass das Gesetzesprojekt der Bürgerinitiative "Stopp Abtreibung" zwar verworfen werde, der "Schutz des ungeborenen Lebens" aber weiterhin ein wichtiges Ziel der PiS bleibe.

"Wir haben es hier mit einem gigantischen Missverständnis zu tun", sagte Kaczynski vor der Abstimmung im Parlament. Die PiS werde ein eigenes und besser durchdachtes Gesetz vorbereiten. Joanna Mucha, frühere Sportministerin und heute Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform, warnte Kaczynski und seine PiS-Anhänger: "Polnische Frauen werden es Ihnen nicht erlauben, sie wie Schafe ins Schlachthaus zu führen. Die Herde wird Sie niedertrampeln." (Gabriele Lesser aus Warschau, 6.10.2016)