Je klarer zutage tritt, dass dem Verfassungsgerichtshof mit der Aufhebung der Stichwahl zum Bundespräsidenten eine "klare Fehlentscheidung" (Heinz Mayer, neuerlich gestern in der Presse) unterlaufen ist, desto dankbarer muss man der FPÖ sein, diese Fehleranfälligkeit auch in höheren juristischen Kreisen mit ihrer Klage offenbar gemacht zu haben. Wenn es um die Aufdeckung von Fehlern geht, wo immer sie in dem von ihnen bekämpften System stecken mögen, kennen die Freiheitlichen keinen Pardon – und wenn es ihnen selber noch so sehr nutzt.

In seiner ganzen Größe kann man den wahren sittlichen Wert ihrer Anrufung des Höchstgerichts erst ermessen, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie ihre Führer bisher zu dieser Institution standen. War sie doch mit "weltfremden Lemuren" besetzt, die eine "vorverlegte Faschingsentscheidung" trafen, als sie mehr zweisprachige Ortstafeln forderten, statt Jörg Haiders Slowenenbegünstigung zu würdigen.

Oberabräumer", über deren Judikatur man sich nicht wundern dürfe, seien die Verfassungsrichter, und wenn ein Präsident dann auch noch Adamovich heißt, sei eine aufrechte Aufenthaltsbewilligung zu hinterfragen. Und trotz dieses berechtigten Misstrauens, mit ihren grundanständigen Anliegen beim Höchstgericht auf Unverständnis zu stoßen, haben sie sich diesmal überwunden und sich seinem Spruch ausgesetzt.

Mit Verzögerung zwar, aber das muss man verstehen. Das Misstrauen, das sich in so vielen Jahren angesammelt hatte, war nicht leicht aus freiheitlichen Herzen zu verbannen. Da mussten ihnen schon die Felle davonschwimmen, ehe fixen Parteijuristen Missstände bei der Stichwahl auffielen, die ihnen im ersten Wahlgang auf rätselhafte Weise völlig entgangen waren.

Nun muss es nicht so sein, wie Johannes Schnizer andeutete, dass die Klage lange vorbereitet gewesen war. Erst die Panik, die blaue Machtergreifung in der Hofburg könnte doch noch scheitern, hat den Geist derart geschärft, dass Einholung der Selbstbezichtigungen aus vielen Wahlkreisen und anspruchsvolle Formulierung der Klagsschrift an das Höchstgericht innerhalb weniger Tage erledigt war. Wo reiner Sinn für Gerechtigkeit waltet, ist nichts unmöglich.

Zweifel an der Fixigkeit der FPÖ-Juristen sind zu unterlassen, und erst recht deren öffentliche Äußerung, handelt es sich dabei doch um üble Nachrede, Kreditschädigung und Ehrenbeleidigung. Wenn nicht Geschäftsschädigung! Wäre es nur eine Meinungsäußerung gewesen – aber es habe sich eben um "keine bloße Meinungsäußerung" gehandelt, so der FP-Anwalt. Da hilft auch die Würdigung parteianwaltlicher Tüchtigkeit nichts.

Der Zweck dieses Einschüchterungsversuches – die Glaubwürdigkeit der FPÖ zu retten – wird mit der Klage gegen Schnizer nicht erreicht werden. Trotzdem muss man der FPÖ dankbar sein, deutet sie damit doch vorauseilend an, was Österreicher unter freiheitlicher Regierung zu erwarten hätten, die Strache, Hofer und Co nicht jede ihrer sinistren Zumutungen unkritisch abnehmen. Man zerrt sie einfach vor Gericht. Da würden sich viele noch wundern. An ausländischen Vorbildern fehlt es nicht. (Günter Traxler, 6.10.2016)