In den USA arbeiten bereits einige Unternehmen mit Software, die Postings, Nachrichten und andere Texte von Mitarbeitern auswertet. Das Ergebnis soll Aufschluss über die Zufriedenheit der Angestellten geben.

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Wie es den Angestellten und Mitarbeitern tatsächlich geht, bleibt für viele Chefinnen und Chefs letztlich ein Rätsel. Denn wer antwortet auf die Frage "Na, wie geht's?" schon mit "Nicht so gut. Die neuen Zielvorgaben sind total unrealistisch, und Ihr Führungsstil treibt mich in den Wahnsinn"? Um dennoch einen Screenshot von der Gefühlslage in den Betrieben zu bekommen, gibt es Mitarbeitergespräche und Umfragen.

Wo Antworten versteckt sind

Manchen US-Unternehmen greifen auch diese Nachfragen zu kurz. Die Lösung: eine "Sentiment Analysis" – eine Gefühlsanalyse durch Software, die das in den Computer Getippte analysiert. Und das ist nicht wenig, denn jeden Tag werden Milliarden Mails, Tweets, Textnachrichten und Chat-Messages versendet. Seit mehr als zehn Jahren tüfteln Entwickler an Programmen, die eine solche Menge an geschriebenen Inhalten schnell und zuverlässig auswerten können – nämlich dahingehend, eine Aussage über die Gefühle der betroffenen Personen zu machen.

Das US-Magazin "The Atlantic" hat sich angesehen, welche Unternehmen schon auf derartige Programme zurückgreifen. Vor allem große Firmen wie Accenture, Intel, IBM und Twitter würden die Gefühlsanalyse anwenden, um Probleme zu erkennen, die im normalen Arbeitsalltag sonst untergegangen wären.

Millionen analysierter Nachrichten

Twitter arbeitet beispielsweise mit dem Unternehmen Kanjoya zusammen, um die Antworten aus Fragebögen zu analysieren. Früher gab es solche Umfragen bei Twitter zweimal pro Jahr – ein oder zwei Fragen waren dabei immer offen gestaltet und Mitarbeiter konnten statt Antworten nur anzukreuzen hier mehrere Gedanken festhalten. Seit der neuen Zusammenarbeit wird ein Sechstel der Belegschaft jeden Monat befragt – mit mehr solcher offenen Fragestellungen. Das Analysetool von Kanjoya zieht vor allem diese Antworten heran und versucht Muster zu erkennen.

Andere Unternehmen gehen noch weiter und analysieren nicht nur extra dafür angefertigte Fragebögen, sondern auch Inhalte aus dem Intranet oder den internen Social Media. Um Stimmungen einzufangen, die normalerweise nicht so einfach an die Oberfläche gelangen, werden bei IBM seit Jahren Posts und Kommentare der eigenen Social-Media-Plattform "Connections" herangezogen, das Tool dafür ("Social Pulse") wurde intern entwickelt. Eine datenschutzrechtliche Einschränkung gibt es dabei: Nur Posts und Kommentare, die öffentlich und nicht in privaten Gruppen oder Nachrichten gepostet wurden, werden ausgewertet.

Weiterentwicklung notwendig

Experten für Datenschutz kritisieren die neuesten Tools natürlich trotzdem. Die Möglichkeit, auch private Nachrichten oder alle Mails auszuwerten, besteht ja. Sentiment-Analysis sei aber dennoch weit davon entfernt, bereits eine ausgeklügelte und voll funktionstüchtige Technologie zu sein, wird ein Wissenschafter zitiert, der sich seit Jahren mit diesen Tools beschäftigt. Die Ergebnisse seien oft noch zu ungenau, weshalb menschlicher Einsatz noch immer wichtig sei. Bei IBM werden die Ergebnisse von Social Pulse beispielsweise von einem eigenen Team kontrolliert, bevor sie ans Management kommuniziert werden.

Dennoch sei mittlerweile ein großer und lukrativer Markt entstanden. Gestartet wurde diese Methode nämlich im Bereich der Marktanalyse: Als Online-Reviews und Bewertungen zunahmen und für Unternehmen immer wichtiger wurden, um noch bessere Produkte und Dienstleistungen anzubieten, wurden die Algorithmen erstmals eingesetzt. Heute gebe es dutzende Start-ups, die sich nur mit der Entwicklung dieser Technologien befassen, wird im Artikel geschätzt.

Wenn man keine Worte mehr braucht

Und auch wenn diese Technologie noch nicht voll einsatzbereit ist, befassen sch einige Wissenschafter schon mit dem nächsten Schritt: Software, die mithilfe von Gesichtsscans Rückschlüsse auf die Zufriedenheit und Gefühlslage der Menschen zulässt. (lhag, 5.10.2016)