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Großer Gewinner des Referendums sind der ehemalige Präsident Álvaro Uribe, hier bei einer Pressekonferenz nach Bekanntgabe des Ergebnisses, und seine rechte Partei Centro Democratico.

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Stimmauszählung in einem Wahllokal in Cali. Die Gegner des Friedensabkommens behielten am Ende die Oberhand.

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Enttäuschung und Trauer bei Anhängern des Friedensvertrags in der Stadt Cali mit knapp 2,5 Millionen Einwohnern.

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Bogotá/Havanna/Asunción – Ein gespaltenes Kolumbien hat sich am Sonntag mit knapper Mehrheit gegen einen Frieden mit der Farc-Guerilla ausgesprochen. An einem regnerischen Tag gingen nur rund ein Drittel der Wahlberechtigten überhaupt zur Stimmabgabe, von ihnen entschieden sich 50,2 Prozent gegen den von der Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens ausgehandelten Friedensvertrag, und nur 49,7 Prozent waren dafür.

Erst am vergangenen Montag war der Friedensvertrag nach mehr als vier Jahren schwieriger Verhandlungen im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und zahlreichen ausländischen Staatsgästen unterzeichnet worden. Das Resultat des Referendums, das manche Kommentatoren mit dem Brexit vergleichen, stellt die ehemaligen Kriegsparteien vor ein enormes Legitimitätsproblem: Entweder setzen sie sich – unter welchen legalen Vorwänden auch immer – über das Votum des Volkes hinweg, oder sie drehen das Rad der Geschichte zurück und bekriegen einander weiterhin gnadenlos. In dem vor 52 Jahren begonnenen Bürgerkrieg starben 220.000 Menschen, sechs Millionen wurden vertrieben, acht Millionen Opfer gibt es insgesamt.

Großes Gefälle zwischen Stadt und Land

Während in den vom Bürgerkrieg besonders betroffenen ländlichen Regionen die Zustimmung zum Teil 70 Prozent betrug, stimmte vor allem die vom Krieg wenig betroffene Stadtbevölkerung dagegen – mit Ausnahme der Hauptstadt Bogotá. Anteilsmäßig übertrifft die Stadtbevölkerung die ländliche jedoch unter den Wählern bei weitem. Nicht einmal die erste öffentliche Waffenvernichtung durch die Uno am Samstag und die Ankündigung der Farc, ihr Vermögen offenzulegen, konnten die Stimmung noch entscheidend beeinflussen.

Dass fast zwei Drittel der Wahlberechtigten erst gar nicht an die Urnen gingen, lag zum einen an dem sehr komplexen, knapp 300 Seiten langen Vertrag, den viele schlicht nicht verstanden. Zum anderen hat in einem von großer sozialer Ungleichheit geprägten Land die von Korruption und Freunderlwirtschaft gekennzeichnete politische Elite seit längerem das Vertrauen der Wähler verloren. Zum Dritten war der emotionsbeladene Diskurs der Friedensgegner – darunter zahlreiche dubiose Kriegsprofiteure – eingängiger als die Argumente der Befürworter. Viele Regionalpolitiker, schrieb das Portal "Silla Vacía", die sich noch bei der letzen Wahl – gegen entsprechende Bezahlung – für Präsident Juan Manuel Santos starkgemacht hätten, seien diesmal offenbar mangels monetärer Anreize passiv geblieben. Nicht alles sei verloren, hieß es weiter: Immerhin hätten 13 Millionen Kolumbianer auch ohne Bezahlung durch die Parteien den Weg zur Urne gefunden.

Kritiker fordern Nachverhandlung des Vertrags

Als sich die Wahlniederlage des Friedenslagers bereits abzeichnete, twitterte der Anführer der Farc, Timoleon Jiménez alias Timochenko, die Guerilla sei weiterhin gewillt, Frieden zu schließen und das Wort gegen Waffen zu tauschen. "Wir bedauern zutiefst die destruktive Macht derjenigen, die Hass und Rachsucht verbreiten und damit die öffentliche Meinung manipuliert haben", erklärte Timochenko unter Anspielung auf den ultrarechten Expräsidenten Álvaro Uribe, der die Front der Friedensgegner angeführt hatte.

Die Gegner störten sich vor allem an der Straffreiheit für die Farc-Kämpfer, die ihre Verbrechen offenlegen und dafür symbolische Reparationen wie den Wiederaufbau von Schulen und Straßen oder die Beseitigung von Landminen leisten sollten, nicht aber ins Gefängnis müssten. Ein weiterer Kritikpunkt waren die zehn Parlamentssitze, die den Farc über zwei Legislaturperioden hinweg auch ohne Wählerstimmen zugestanden hätten. Die Kritiker forderten eine Nachverhandlung des Vertrags, was Regierung und Farc jedoch abgelehnt hatten.

Präsdient Santos bleibt und will weiterverhandeln

Präsident Santos, der umgehend eine Krisensitzung einberief, erklärte, es gebe einen Plan B, und er wolle an der vereinbarten Waffenruhe festhalten. "Ich gebe nicht auf und werde bis zum Ende meiner Amtszeit den Frieden suchen", sagte er. Damit widersprach er sich selbst, denn vor der Abstimmung hatte er betont, eine Niederlage würde automatisch die Rückkehr in den Krieg bedeuten.

Am Montag wollte Santos seine Gesandten nach Havanna auf Kuba schicken, wo in den vergangenen vier Jahren über den Frieden verhandelt wurde und wo sich die Farc-Führung derzeit aufhält. Die Niederlage ist ein harter Schlag für den Präsidenten, der sein gesamtes politisches Kapital für den Frieden in die Waagschale geworfen hatte, und stärkt Uribe, dessen Fraktion bei der letzten Regionalwahl schlecht abgeschnitten hatte. (Sandra Weiss, 3.10.2016)