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Neue Vorwürfe, unter anderem im Zusammenhang mit früheren Wahlkampffinanzierungen, trüben derzeit die Laune von Nicolas Sarkozy.

Foto: Reuters / Philippe Wojazer

Kann man einem Politiker einen ganzen Staatshaushalt überlassen, wenn er nicht einmal seine persönlichen Wahlkampfausgaben im Griff hat? Das fragten sich am Freitag die Franzosen, nachdem der öffentlich-rechtliche Sender France 2 am Vorabend über die ziemlich unseriöse Buchhaltung des Wahlkämpfers Sarkozy berichtet hatte. Den vom Gesetz zugelassenen Ausgabenplafond von 22,5 Millionen Euro übertraf er demnach im Präsidentschaftswahlkampf 2012 um mindestens 18 Millionen – eine Kostenüberschreitung von 80 Prozent. Und damit nicht genug. Die 18 Millionen Euro stellen getürkte Rechnungen dar, die das Sarkozy-Team einfach der konservativen Partei UMP übertrug, als die Obergrenze für die Ausgaben gesprengt wurde.

Diese Machenschaften enthüllte in der TV-Reportage ein Organisator von Wahlkampfauftritten, Franck Attal. Er zeigte anhand von Dokumenten exakt auf, wie geschummelt wurde: Ein Meeting in Marseille, das über 700.000 Euro gekostet hatte, wurde nur mit 105.000 Euro ausgewiesen; die Differenz wurde mit gefälschten Abrechnungen der Parteikasse überwiesen, obwohl diese mit dem Auftritt nichts zu tun hatte.

Teure Wahlkampfshows

Attal berichtete auch, wie Sarkozy immer mehr megalomane Tendenzen an den Tag legte: Während seine Buchhalter vor der Überschreitung des Wahlkampfdeckels warnten, forderte der – schließlich gegen den Sozialisten François Hollande unterlegene – Kandidat sogar tägliche Meetings, aufgezogen wie eine amerikanische Wahlshow. Deren Kosten beliefen sich zum Teil auf mehr als fünf Millionen Euro. "Superproduktionen zum Jahrmarktpreis", flachste die Regionalzeitung "Ouest-France" am Freitag.

Unklar bleibt einzig, wie weit Sarkozy über die Finanzschieberei auf dem Laufenden war. Die Justiz ermittelt. Und nicht nur in diesem Fall. Am Freitag lieferte das Newsportal "Mediapart" neue Details zu einer anderen Sarko-Affäre. Seit langem steht der Verdacht im Raum, der Staatschef (2007 bis 2012) habe vom ehemaligen libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi Geld für seine Präsidentschaftskampagne 2007 erhalten. Diese Woche berichtete "Mediapart", der frühere libysche Ölminister Choukri Ghanem habe in einem Notizbuch, das der französischen Justiz vorliege, drei Auszahlungen an Sarkozy im Umfang von 6,5 Millionen Euro aufgelistet.

Mysteriöser Tod in der Donau

Kleines Detail: Ghanem ertrank im April 2012 unter mysteriösen Umständen in der Donau. Die Wiener Staatsanwaltschaft befand: Herzversagen. Am Freitag berichtete "Mediapart", Mitarbeiter der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton hätten den Tod in ihrem Mailverkehr als "hochverdächtig" eingestuft. Ein Vertrauter Ghanems erzählte dem Newsmagazin ferner, die Gaddafi-Gelder seien an Politiker in Frankreich, Italien und England gegangen. Klare Beweise für eine Finanzierung Sarkozys fehlen allerdings. Einzelne französischen Medien stellen die "Libyen-Connection" deshalb infrage.

Umso detaillierter berichten sie über ein neues Buch namens "La cause du peuple" (Die Sache des Volkes). Der ehemalige Sarkozy-Mentor Patrick Buisson unterstellt dem Ex-Präsidenten und Erneut-Kandidaten darin brisante Aussage wie etwa: "Natürlich haben wir gemeinsame Werte mit dem Front National." Sarkozy sei ein Mann "harter Reden und schlaffer Taten", giftet Buisson, um ihn als infantil und abschätzig zu schildern. "Ich bin der Kopf, sie die Beine", soll er über Angela Merkel gespottet haben. Seinen politischen Ziehvater Jacques Chirac nannte er "korrupt", seinen Premier François Fillon einen "armen Typen", berichtet Buisson. Unreif und "von seinen Leidenschaften überwältigt", sei Sarkozy wie seine Frau Carla Bruni nur auf Geld und Ruhm versessen. Um einen Sozialprotest zu brechen, habe er auch einmal Banlieue-Banden anheuern lassen.

Buch als Racheakt

Buisson bekleidete nie offizielle Ämter, sondern gilt als graue Eminenz der französischen Rechten. Er soll Sarkozy zu einem Mittelweg zwischen Konservativen und Rechtsextremen inspiriert haben. Obwohl das Buch ein einziger Racheakt ist, weil Sarkozy ihn aus seinem obskuren Beraterjob im Elysée entfernt hatte, stößt Buissons Pamphlet in Paris auf enormes Echo. Sogar Sarkozys Hofblatt "Le Figaro" fragte am Freitag, ob die Buchveröffentlichung ein "Wendepunkt" für dessen Präsidentschaftskandidatur sei. Und zwar nicht im positiven Sinn. (Stefan Brändle, 1.10.2016)