Sie ist die wohl berühmteste Doch-nicht-Nobelpreisträgerin: Die Physikerin Lise Meitner wurde mindestens 48 Mal für die höchste wissenschaftliche Auszeichnung vorgeschlagen.

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Wien – Wenn ab Montagmittag die diesjährigen Nobelpreisträger bekannt gegeben werden, wird man nur spekulieren können, welche Wissenschafter diesmal in die engere Auswahl gekommen sind, aber leer ausgingen. Das wird sich erst im Jahr 2066 klären lassen, also in 50 Jahren. So lange werden die Namen der Nominierten und jener, die sie vorschlagen, nämlich unter Verschluss gehalten. Das bedeutet aber umgekehrt auch, dass man diese Informationen immerhin bis 1965 hat – abrufbar im Online-Nobelpreis-Archiv.

Für eine vollständige Erfassung der österreichischen Fast-Laureaten stößt man dabei freilich auf ähnliche Probleme wie für eine vollständige Liste der österreichischen Nobelpreisträger. Allein schon die Frage, wann jemand als "österreichisch" gilt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Datenbank ermöglicht zwar die spezifische Ländersuche, aber beispielsweise findet man die beiden Physiker Erwin Schrödinger (41 Nominierungen, Nobelpreis 1933) und Wolfgang Pauli (29 Nominierungen, Nobelpreis 1945) bei der Suche nach Nominierten aus Österreich nicht.

Gescheiterte und erfolgreiche Physiker

Der Grund dafür dürfte sein, dass sie im Ausland gearbeitet haben, als sie den Nobelpreis erhielten. Auch Lise Meitner, die den Großteil ihrer Karriere im Ausland forschte, fehlt in der Österreicher-Liste. Sie wurde in den Jahren 1924 bis 1965 immerhin 48 Mal für den Physik- und Chemie-Nobelpreis vorgeschlagen, hat ihn aber nie bekommen.

Ludwig Boltzmann wurde fünf Mal in den Jahren 1903, 1905 und 1906 für den Physik-Nobelpreis nominiert, zwei Mal davon von Max Planck, doch Boltzmann verübte am 5. September 1906 Selbstmord. Auch Ernst Mach, sechs Mal für den Physik- und ein Mal für den Chemie-Preis in den Jahren 1911, 1912 und 1914 nominiert, erhielt die Auszeichnung nie.

Nur vier Nominierungen in den Jahren 1931, 1933 und 1936 reichten dagegen Victor Hess, um 1936 für die Entdeckung der kosmischen Strahlung den Physikpreis zu erhalten. Der Chemie-Nobelpreisträger 1923, Fritz Pregl, wurde von zehn Kollegen nominiert (1917, 1922, 1923) – ebenso oft wie der Fotochemiker Joseph Eder, der nie den Preis erhielt.

Der Sohn hat mehr Glück als der Vater

In der Liste für den Medizin-Nobelpreis (die derzeit nur bis 1953 reicht) findet sich unter anderem der Orthopäde Adolf Lorenz, der zwischen 1904 und 1933 acht Mal vorgeschlagen wurde und einmal angeblich nur um eine einzige Stimme scheiterte. Erst sein Sohn, der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, erhielt 1973 den Medizin-Preis. Sigmund Freud zählt mit 33 Nominierungen für den Medizin-Nobelpreis zwischen 1915 und 1938 und einer für den Literatur-Preis zu den am häufigsten genannten Österreichern – wenngleich auch die Bemühungen vergeblich waren: Freud wurde nie vom Nobel-Komitee ausgezeichnet.

Ähnlich bekannt wie Freud damals aber heute weitgehend vergessen ist der Hormonforscher Eugen Steinach, der es in der Zwischenkriegszeit immerhin auf elf Nominierungen brachte. Erfolgreicher waren da die Bemühungen für Robert Bárány (sieben Nominierungen, Nobelpreis 1914), für Julius Wagner-Jauregg (17 Nominierungen, Nobelpreis 1927) und für Otto Loewi (27 Nominierungen, Nobelpreis 1936).

Die Folgen der Vertreibung

Klar zeigt die Datenbank auch die Vertreibung und Zerstörung der Intelligenz während der Nazi-Herrschaft und deren Folgen nach dem Zweiten Weltkrieg: In den 20 Jahren zwischen 1945 und 1965 (bzw. 1953 in Medizin) finden sich in den wissenschaftlichen Nobelpreis-Disziplinen kaum noch Nominierungen für Österreicher. Der Physiker und Pazifist Hans Thirring wurde bis 1965 immerhin zwei Mal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Nur die 1938 vertriebene Physikerin Marietta Blau wurde in den 1950er-Jahren gleich fünf Mal nominiert, davon vier Mal von Erwin Schrödinger. Blau starb nach Jahren im Exil 1970 unbelohnt und verarmt in Wien. (APA/red, 2.10.2016)