Hat "dem System" längst den Rücken gekehrt, gründet nun eine Partei: Roland Düringer.

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Der Ziegenbart, der Gruß "Gehabt Euch wohl!": Der Neo-Politiker Roland Düringer hat sich smarte Markenzeichen geschaffen. Die Marotten wären nicht diskussionswürdig. Außer man sieht ganz genau hin. Nicht nur auf den Wutbürger Düringer mit dem Ziegenbart und der seltsamen Grußformel, sondern auch auf andere Wutbürger mit Ziegenbärten und auf Blogger, die mit "Gehabt Euch wohl" grüßen.

Düringer trägt einen Ziegenbart, und er ist gewaltig auf das System angefressen. Vorbemerkung eins: Er könnte und dürfte auch rasiert, mit Vollbart oder einem gefärbten Schnauzer auf das System angefressen sein. Vorbemerkung zwei: Man darf einen Ziegenbart auch tragen, ohne auf das System angefressen zu sein. Aber: Den Ziegenbart zu tragen, dazu entscheiden sich auffallend viele Männer, die auf das System sehr, sehr angefressen sind. Zum Beispiel die Männer aus der Szene der "Freemen" und der "Souveränen".

Mit Ziegenbart und mit einer bizarren Systemaussteiger-Vita hat es der ehemalige Musiker Joe Kreissl zu einiger Bekanntheit geschafft. Er ist jetzt der "Freeman Austria". Ein "Am Schauplatz" des ORF widmete sich der Szene, der eine oder andere Sender lädt den "Freeman" ab und an zu ernsthaften Diskussionen ein, bei denen sich Verfassungsrechtler mit einem Herrn plagen, der von der Republik 270 Millionen Euro Entschädigung fordert für diverse Belästigungen.

Parallelen mit der Welt der Souveränen

Düringer sagt dem System mit seiner Parteigründung den Kampf an und greift auf seine Performance als Wuchteldrucker zurück. Der "Freeman Austria" ist vor einigen Jahren "aus dem System ausgestiegen". Und aus der offiziellen Geschichtsschreibung. Er glaubt nur, was er sieht, teilt er sendungsbewusst und mit unappetitlichen Vergleichen garniert mit. Er habe Mauthausen gesehen, aber er habe auch den Superman im Fernsehen gesehen, sagt Kreissl etwa. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Das DÖW widmet ihm einen Beitrag. Kaum eine Gelegenheit lässt der "Freeman" aus, um irgendwo eine Verschwörung zu wittern. Seiner Fantasie setzt er kaum Grenzen. Die Staatsgründung Israels und die "Patentierung des Zika-Virus durch Rockefeller" bringt er in einem Satz unter.

Schweizer Düringer

Wir blicken in die Schweiz: Im Kanton Bern versucht sich mit Bruno Moser ein "Souveräner" – beharrlich und mit wachsendem Erfolg und mit beachtlicher Medienresonanz – in der Politik. Die bisherigen Politiker seien laut Moser "Volks-Vertreter", und "Hampel-Männer der Hochfinanz und globalen Elite". Wer ob der Identität der "Eliten" noch Fragen hat, wird von Moser mit der Nase darauf gestoßen. Den Namen "Amsel Rothschild" baut Moser auf seiner Webseite als role model für die globalen Strippenzieher dezent in sein larmoyantes Credo "von denen da oben" und "wir da unten" ein. Die Nähe zur Freeman-Szene leugnet der Schweizer nicht. Ach ja, ein markanter Ziegenbart, das ist das Markenzeichen des "souveränen" Herrn Moser. Er selbst bezeichnet sich übrigens als "bewusster Nichtwähler".

Repräsentative Demokratie

Antisemitismus kann man dem "Nicht- und Weißwähler-Anwalt" Düringer natürlich nicht vorwerfen. Doch andere Parallelen mit der Welt der "Souveränen" sind augenscheinlich: Hie und da eine Breitseite gegen "Big Pharma". Von repräsentativer Demokratie halten die "Souveränen", der "Freeman" und der Düringer nicht viel. Kreissl pfeift drauf (O-Ton: "Wer hat gesagt, dass ich innerhalb der Demokratie was stehe ..."). Düringer will sich von Leuten wählen lassen, die bislang darauf gepfiffen haben, und sich als Abgeordneter im österreichischen Parlament einen Karl machen.

Buntes Potpourri an Unterstützern

Die eine oder andere Figur mit fragwürdiger politischer Vita mischt sich in das bunte Potpourri der Unterstützer Düringers. Zu einem Koordinationstreffen von Interessierten in Oberösterreich lädt Robert Faller, ein ehemaliger Kader der politisch erfolglos agierenden rechtsextremen "Nationalen Volkspartei". Klar, die Suppe ist dünn, ein Ziegenbart allein taugt natürlich kaum, um Düringer in die Ecke der "Souveränen" zu rücken oder ihm gar Sympathie für Revisionisten zu unterstellen. Auch kann er nicht jeden Unterstützer unter die Lupe nehmen. Hier könnte man also mit den Worten schließen, mit denen Düringer seine Predigten schließt: "Gehabt Euch wohl!"

Wenn uns der Gruß nicht bekannt vorkäme. Wir hören den Gruß beim anonymen, im rechten Verschwörungstheoretiker-Soziotop aber populären Blogger "Conrebbi". Und jetzt wird es richtig schmutzig. "Conrebbi" ist nicht nur Wutbürger, Staatsleugner in der deutschen Version. Er legt ein wenig nach in Sachen rechte Verschwörung und Revisionismus.

"Kokettieren mit Verschwörungstheorien"

"Gehabt Euch wohl?" Das Verächtlichmachen der Demokratie, ein mit porösen Argumenten garniertes Wutbürgertum, hie und da esoterisches Geschwurbel. Für das "Goldene Brett vorm Kopf" ist Düringer wegen seines "Kokettierens mit Verschwörungstheorien" nominiert. Darüber hinaus: die Äußerlichkeiten und die Codes, die Düringer mit den Proponenten unappetitlicher Politsekten teilt? Mit Leuten, die mit Antisemitismus spielen und die nicht nur beiläufig, sondern ostentativ anstreifen am Verbotsgesetz? Man kann mutmaßen oder Herrn Düringer einfach eine Frage stellen: Sag, wie hältst Du es mit diesen "Soveränen", mit "Freeman" und "Conrebbi"? (Christian Kreil, 10.10.2016)