Die Gewitterwolken über der Strombranche bleiben. Nach der Liberalisierung vor 15 Jahren waren die Unternehmen wettbewerbsmäßig mit ihresgleichen beschäftigt, nun kommen Branchenfremde hinzu.

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Salzburg – Durch die Digitalisierung, die von den Stromunternehmen nun selbst massiv vorangetrieben wird, droht die einst mehr als selbstbewusste Branche unter die Räder zu kommen. Grund ist, dass die Digitalisierung und die damit einhergehende Vernetzung so gut wie aller Lebensbereiche das Sammeln und Speichern von Daten erst ermöglicht, Branchenfremde wie Google oder noch jüngere Start-ups damit aber viel besser umzugehen wissen.

"Es ist ein historisches Versäumnis der Energiewirtschaft, nicht schneller und stärker für die Smart Meters gesorgt zu haben. Die hätte ihnen eine Plattform gegeben, womit sie zu den Daten gekommen wären", sagte Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger am Donnerstag am Rande des Jahreskongresses von Österreichs Energie dem STANDARD.

In Österreich haben sich einzelne Versorger lange gegen die Einführung intelligenter Stromzähler ausgesprochen. "Das war kurzfristig möglicherweise richtig, langfristig aber nicht so gut. Jetzt kommen andere Plattformen und beginnen, da mitzuspielen", sagte der aus Zell am See stammende Professor für Internet Governance an der Universität Oxford.

Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber ist davon überzeugt, dass mit dem Verkauf von Strom und Dienstleistungen rundherum auch in der Energiewelt von morgen Geld verdient werden wird. "Noch ist aber nicht fix, dass wir das sind", sagte Anzengruber, der auch Präsident des Interessenverbands Österreichs Energie ist. Wichtig für die Branche sei jedenfalls die Bereitschaft, Ideen von außen aufzunehmen und nicht alles selbst erfinden zu wollen.

Die Googles und Facebooks dieser Welt machen genau das vor: Am laufenden Band fischen sie im großen Teich der Start-ups und entwickeln sich so beständig weiter. Energieregulator Wolfgang Urbantschitsch wünscht und empfiehlt der Branche mehr Mut: "Schafft eine Spielwiese, probiert Sachen aus!" Wie mit Big Data umgehen – damit müsse sich seine Behörde freilich selbst erst regulatorisch näher auseinandersetzen, bekannte der E-Control-Chef.

Datenschützer warnen

Datenschützer warnen seit geraumer Zeit, Digitalisierung sei eine Einfallsschneise für Leute mit krimineller Energie. Auch der Weltenergierat hat am Donnerstag in einer zusammen mit dem Berater Marsh & McLennan und dem Rückversicherer Swiss Re durchgeführten Untersuchung auf die wachsenden Risiken von Cyber-Kriminalität hingewiesen. Ende 2015 etwa ließ ein Hackerangriff auf das ukrainische Stromnetz 80.000 Personen während Stunden im Dunkeln sitzen.

Oxford-Professor Mayer-Schönberger sieht mehr Chancen als Risiken durch Big Data. Eines der Charakteristika von Big Data sei, dass Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und verwendet werden, dadurch werde insgesamt die Fehlerquelle geringer: "Wenn ein Hacker eine Datenquelle verändert hat, aber nicht alle anderen auch, wird sich diese Veränderung eher wieder ausgleichen." (Günther Strobl, 30.9.2016)