Zunächst befand sich Alen R. in U-Haft. Erst später wurde er in die Justizanstalt Göllersdorf überstellt.

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Der Weg zum Urteil.

Graz – Wie der in der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommene "Maßnahmenvollzug" im Detail und in der Praxis abläuft und wie man hineinkommt, konnte im Prozess um den Grazer Amoklenker Alen R. detailliert und auch kritisch nachvollzogen werden. Beim Maßnahmenvollzug geht es nicht um "Bestrafung", sondern um Therapie und Abbau krankheitsbedingter Gefährlichkeit psychisch kranker Häftlinge.

Am Anfang stand im konkreten Fall Alen R. die nicht ganz unumstrittene Erstdiagnose nach der Festnahme durch die Polizei. "Eindruck von Verfolgungswahn" notierte die Polizeiärztin, kreuzte aber auf einem anderen Formular, wie sie vor Gericht bedauerte, "zurechnungsfähig" an. "Ein Ankreuzfehler", sagte sie. R. kam in U-Haft und blieb dort ein Jahr lang de facto ohne Behandlung.

Kritisch wurde von der beisitzenden Richterin angemerkt, dass die Polizeiärztin, eine Allgemeinmedizinerin, keine psychologische Ausbildung besaß. Dennoch: Der Polizeiarzt oder die -ärztin entscheidet grundsätzlich, ob akute Selbst- oder Fremdgefährdung besteht oder nicht – ob zurechnungsfähig oder -unfähig.

Haft oder nicht

Es gibt dann zwei Wege: Bei "Zurechnungsunfähigkeit" tritt Paragraf 21 Absatz 1 StBG in Kraft. Das bedeutet: Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zum Beispiel in Sonderanstalten in Asten oder Göllersdorf.

Ist der Täter zurechnungsfähig, aber dennoch gefährlich, wird er nach Paragraf 21 Absatz 2 StGB im Rahmen einer Haft behandelt. Das kann in Stein oder Graz-Karlau sein. Man spricht auch von Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, aber unter Haftbedingungen – dies wurde am Donnerstag im Fall des_Amokfahrers verfügt (nicht rechtskräftig).

Es gibt auch forensische Spezial-Psychiatrieabteilungen im Rahmen eines Krankenhauses wie zum Beispiel des LKH Graz Süd-West, in der sich Alen R. während des Prozesses aufhielt und wo er zwischenzeitlich behandelt wurde. R. wurde bis Donnerstag de facto nicht formal eingeliefert, sondern nach Paragraf 429 Absatz 4 "vorläufig angehalten in einem geschützten Bereich".

Die Grundlage, warum Alen R. aus der U-Haft doch in eine psychiatrische Abteilung überstellt worden war, war ein Gutachten des Obergutachters Jürgen Müller, der hinzugezogen wurde, da zuvor zwei Gutachter zu unterschiedlichen Erkenntnissen gekommen waren. Müller plädierte ebenfalls auf "zurechnungsunfähig" und empfahl die vorüber gehende Einweisung in die psychiatrische Abteilung des LKH Graz Süd-West. Hier wurde R. aufgrund Müllers Diagnose ("paranoide Schizophrenie") mit einem Cocktail an schweren Psychopharmaka ruhiggestellt. Diese Behandlung wurde in Göllersdorf, wohin er auf Weisung des Innenministeriums aus "Sicherheitsgründen" überstellt wurde, weitergeführt. (Walter Müller, 29.9.2016)