Der sechsjährige Tobias (Nikolai Klinkosch) hat Angst vor Wasser. Ist der Grund dafür in seiner Vergangenheit zu finden?

Foto: Allegro Film

Wien – "Du sollst Vater und Mutter ehren", lautet eines der zehn Gebote. Der sechsjährige Tobias (Nikolai Klinkosch) hatte mit seinen Eltern Glück. Katharina (Ursula Strauss) und Martin (Andreas Kiendl) haben den Waisenjungen als Baby adoptiert und bemühen sich seither, ihm ein geordnetes und normales Familienleben zu bereiten.

Tobias lebt jedoch in seiner eigenen Welt. Er spricht nicht viel, hat Angst vor Wasser, und sein Alltag muss einer gewissen Routine folgen. Läuft etwas anders als erwartet, atmet er schwer. Ob Tobias an Autismus leidet oder etwas Traumatisches erlebt hat, das wissen seine Eltern nicht.

Als das junge Pärchen Nicole (Lili Epply) und Christian (Wolfgang Rauh) nebenan einzieht, hat es erstaunlicherweise sofort einen Draht zu dem Jungen, der auf einmal sogar das Wasser nicht mehr scheut. Doch die beiden sind nicht zufällig in die Nähe der Familie gezogen.

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Im Visier

Mein Fleisch und Blut von Regisseur und Drehbuchautor Michael Ramsauer handelt von Paaren, die um jeden Preis eine Familie sein möchten. Bereits im Titel angelegt (man denke an das Fleisch und Blut Christi) ist auch die Kritik an einem religiösen Fanatismus und einem nicht frei gewählten Glauben, den Ramsauer als Auslöser für seine Geschichte und die folgenden Ereignisse nimmt. Zwanghaft ist meist auch das große Nähebedürfnis, das die Erwachsenen immer wieder einfordern. Tobias ist der Einzige, der sich ohne große Worte daraus lösen kann.

Die Spannung des Films liegt vor allem in den Blickverhältnissen. Martin ist Pressefotograf und nimmt Tatorte ins Visier, er ist derjenige, der beobachtet. Auch die Kamera (Josef Mittendorfer) fängt zu Beginn des Films seinen Blickwinkel ein.

Ein undeutbares Lächeln

Als Martin an einem Tatort, der für ihn eine größere Rolle spielen wird, als er zunächst vermutet, einen Schwächeanfall erleidet, gerät seine dominierende Position ins Wanken: Auf einmal ist er nicht mehr alleiniger Beobachter, sondern wird zum Beobachteten. Besonders Nicole erweist sich als starker Gegenpart und ruft mit ihren eindringlichen Blicken großes Unbehagen hervor.

Mein Fleisch und Blut verdichtet sich immer mehr zu einem Psychothriller, der mit Horrorelementen gespickt ist. Am Ende nimmt der Film eine verstörende Perspektive ein: Tobias sieht seine Mutter lange an und lächelt. Wie man seinen Blick zu deuten hat, das weiß man jedoch nicht so genau. (Katharina Stöger, 30.9.2016)