Auch in die Apotheke sollen Patienten künftig ihre E-Card mitbringen. Die eingenommenen Arzneien werden dann darauf gelistet. Das macht Verschreibungen transparenter, doch die Ärzte stoppen das Vorhaben.

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Die E-Medikation soll – beginnend mit der Steiermark – ab dem ersten Quartal 2017 österreichweit ausgerollt werden. Bis zum zweiten Quartal 2018 könnte sie bundesweit verfügbar sein. Diesen Plan hat der Hauptverband der Sozialversicherungsträger nun bekannt gegeben. Noch wartet man allerdings auf das Okay aus dem Gesundheitsministerium, am liebsten per Verordnung.

Es geht dabei um eine Datenbank, dargestellt als Liste, in der für jeden Patienten die von Ärzten verordnete bzw. von Apotheken abgegebene Medikamente gespeichert werden. Die E-Medikation ist Teil der elektronischen Gesundheitsakte ELGA, über die Patienten auch Einblick in ihre Liste haben. Ziel ist es, unbeabsichtigte Wechselwirkungen und Mehrfachverschreibungen zu verhindern, außerdem mehr Transparenz.

Getestet wurde das System seit Ende Mai im steirischen Bezirk Deutschlandsberg. Statt bis Ende September soll der Test noch bis Ende November laufen, per 1. Dezember dann der verpflichtende Regelbetrieb in diesem Bezirk starten. Danach sollen die ganze Steiermark und schließlich alle Bundesländer folgen.

Hauptverband ist ready

"Es ist ein Gebot der Stunde, die E-Medikation so schnell wie möglich auf ganz Österreich auszurollen", betont Hauptverband-Chefin Ulrike Rabmer-Koller. "Am Ende ist das Bundesministerium am Zug." Bereit dazu sei man, wurde in einer Pressekonferenz versichert. "Wir sind Rollout-ready", meinte etwa Hauptverbands-Vize Volker Schörghofer, der auf eine entsprechende Verordnung hofft und Bedenken von Ärzteseite beiseite wischte: "Jetzt geht es wirklich nur darum, die Starttaste zu drücken und das 'Go' zu geben."

Die technische Verfügbarkeit sei nachweislich gegeben, betonte Schörghofer unter Verweis auf den Pilotversuch. 94 Prozent der mit E-Card-System ausgestatteten Ärzte im Bezirk Deutschlandsberg, 90 Prozent in der gesamten Steiermark, 70 Prozent in ganz Österreich könnten zurzeit auf das System der E-Medikation umstellen. Bei den Apotheken seien es 87 Prozent in der Steiermark und 85 Prozent bundesweit. Die Vorgangsweise sei mit der Ärztekammer, dem Ministerium, den Ländern und den Softwareherstellern abgestimmt.

Druck machte auch Patientenanwalt Gerald Bachinger, der auch auf die gut zehnjährige Historie des Projekts verwies. "Jeder Tag, der hier verzögert wird, führt zu ganz konkreten Patientengefährdungen." Von "durchwegs positivem Feedback der teilnehmenden Ärzte und Apotheken" berichtete Rabmer-Koller. 57.000 Verordnungen seien bereits gespeichert worden. Derzeit nutzen 19 Ärzte das System, angemeldet hatten sich 30.

Kammer steht auf der Bremse

Gänzlich anders scheint sich die Situation zu gestalten, wenn man der Ärztekammer zuhört: "Von einem österreichweiten Roll-out kann hier weit und breit keine Rede sein", ließ sie kurz nach der Pressenkonferenz des Hauptverbandes per Aussendung verlauten. Dem Einführungsplan für die E-Medikation droht also schon wieder das Scheitern.

Eine Zustimmung der Ärzte sei auch eine der Voraussetzungen für eine entsprechende Verordnung, hieß es auf APA-Anfrage im Gesundheitsministerium. "Eine Verordnung gibt es dann, wenn es einen abgestimmten Rollout-Plan gibt und alle das Okay dazu gegeben haben", erklärt eine Sprecherin von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ). Neben der Ärzten zählen auch Softwarehersteller und Apotheken dazu. Der Hauptverband müsse belegen, dass die E-Medikation in Ordinationen und Apotheken entsprechend funktioniere. Generell habe man aber höchstes Interesse an einem österreichweiten Rollout.

Die Ärztekammer deponiert schwerste Bedenken. "Unausgereift und somit unsicher", lautet das Urteil über das Pilotprojekt im steirischen Bezirk Deutschlandsberg. Umso unverständlicher seien die Pläne des Hauptverbands. "Hier wird ein fehleranfälliger Probebetrieb ohne die betroffenen Teilnehmer – die Ärztinnen und Ärzte – als 'patientensicher' verkauft", kritisiert Vizepräsident Johannes Steinhart. Und: "Es haben noch nicht einmal die Gespräche zur notwendigen gesamtvertraglichen Umsetzung begonnen."

Zurück an den Start

An dem seit Mai dieses Jahres laufenden Pilotprojekt würden aktuell nur ein Dutzend Ärzte teilnehmen. Bei einem Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmern seien grobe Mängel aufgedeckt worden. "Auf Basis dieser minimalen und meist schwierigen Erfahrungen in den Ordinationen ein System auf ganz Österreich ausrollen zu wollen, ist eine Gefahr für die Patientensicherheit", warnt Steinhart. "Wenn das System jetzt schon krankt, ist eine plötzliche Einbindung von mehr als 8.000 Kassenärzten und mehr als 10.000 Wahlärzten schlicht fahrlässig."

Dass der Hauptverband noch nicht einmal Gespräche über die Einbindung in den Gesamtvertrag begonnen habe, sorge zusätzlich für Unverständnis, so Steinhart, der im Namen der Wiener Ärztekammer sprach. Sein Appell: "Zurück an den Start, bis die offenen Fragen – von Funktionalität bis Finanzierung – geklärt sind." (APA, 27.9.2016)