Nassau/Brüssel – Die wegen der Bahamas-Leaks im Schussfeld der Kritik stehende frühere Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schriftlich geantwortet. Über den Inhalt des Kroes-Schreibens wurde am Dienstag in Brüssel aber nichts bekannt. Ein Sprecher erklärte, es handle sich um eine private und vertrauliche Korrespondenz.

Juncker hatte vergangene Woche in einem Brief an Kroes um Aufklärung über die Steuervermeidungscausa Bahamas-Leaks verlangt. Ein Kommissionssprecher erklärte, er dürfe über das Antwortschreiben von Kroes keine Auskunft geben. "Andernfalls könnte ich geklagt werden." Darauf angesprochen, ob Juncker mit dem Inhalt des Kroes-Briefs zufrieden sei, winkte der Sprecher ab. Es gehe darum, das Schreiben der früheren Wettbewerbskommissarin nun zu analysieren und dann über die nächsten Schritte zu entscheiden.

Seitens der Kommission war Kroes in der Vorwoche vorgeworfen worden, "offenbar die Regeln nicht akzeptiert" zu haben. Kroes habe im Zusammenhang mit dem neuen Steuerskandal Bahamas-Leaks Informationen nicht weitergegeben. Es seien aber alle Kommissare sowie Kabinettschefs und Spitzenbeamten der Behörde verpflichtet, jegliche Tätigkeiten offenzulegen. Juncker habe in seiner Zeit die strengsten Maßnahmen eingeführt.

Das Magazin "Politico" hatte zuletzt berichtet, dass das Europaparlament vor der Ernennung von Kroes zur Kommissarin schon 2009 die Trennung von ihrer Briefkastenfirma auf den Bahamas verlangt habe. Damals ging es um die Zustimmung des EU-Parlaments zur Kommission des früheren Präsidenten José Manuel Barroso.

U-Ausschuss will Kroes anhören

Der Panama-Untersuchungsausschuss des Europaparlaments will Kroes anhören. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Werner Langen, sagte am Dienstag nach der ersten Sitzung des Ausschusses, sein Mandat sei nicht auf die Panama-Leaks beschränkt.

Auch die Bahamas-Leaks würden in die Untersuchungen einbezogen, sagte Langen. Der Untersuchungsausschuss habe den klaren Auftrag, Versäumnisse der EU-Kommission und der EU-Staaten und die Rolle von Banken, Rechtsanwälten aber auch von staatlichen Stellen bei Steuerflucht zu untersuchen.

Kroes werde "ziemlich sicher" im weiteren Verlauf von dem Untersuchungsausschuss angehört werden, betonte der CDU-Politiker Langen. Kroes habe bei ihrer Anhörung als EU-Kommissarin 2004 versichert, alle ihre geschäftlichen Positionen in internationalen Firmen aufzugeben. Außerdem sei der Schutz von investigativen Journalisten und Informanten (Whistleblowern) ein Thema. Der Koberichterstatter und dänische sozialdemokratische EU-Abgeordnete Jeppe Kofod bezeichnete es als "Schande", dass Journalisten in der Lux-Leaks-Affäre verurteilt wurden.

Whistleblower-Plattform

Zwölf grüne Europaabgeordnete, darunter der Österreicher Michel Reimon, haben indes eine Plattform für Whistleblower gegründet, über die anonym Hinweise zu Steuerskandalen eingereicht werden können. Pünktlich zur ersten Sitzung des EU-Untersuchungsausschusses am Dienstag zu den Panama-Papers präsentierten die Grünen in Brüssel das Projekt. (APA, 27.9.2016)