Vor dem Budapester Haus Teréz körút (Theresienring) 2–4 lagen am Montagvormittag noch Glasscherben herum. Handwerker verbarrikadierten die leeren Fensterhöhlen des Geschäfts im Erdgeschoß mit Pressspanplatten.

36 Stunden zuvor war im Eingang zu diesem Haus eine Bombe explodiert. Die Schäden an der Fassade und am Balkon im ersten Stock, von dem ein ordentliches Stück heruntergebrochen ist, zeugen von der beträchtlichen Kraft der Sprengladung.

Zwei Polizisten – ein Mann und eine Frau – waren hier zu dem Zeitpunkt auf Streife gewesen, als sich die Explosion am späten Samstagabend ereignete. Sie erlitten schwere Verletzungen. Es kommt einem Wunder gleich, dass nicht mehr passiert ist. Das Viertel zwischen Theresienring, Király-Gasse und Oktogon-Platz ist nämlich eine beliebte Ausgehzone, wo auch spätabends noch viele Menschen auf den Beinen sind.

"Zweifelsfrei" ein gewollter Anschlag

Die ungarische Polizei rückte das ganze Wochenende hindurch nur zögerlich mit Informationen heraus. Landespolizeikommandant Károly Papp erklärte erst am Sonntagabend, 20 Stunden nach der Explosion, dass es sich "zweifelsfrei" um einen gewollten Anschlag auf die beiden Streifenbeamten gehandelt habe.

Das Ziel seien nicht die konkreten Personen, sondern die ungarische Polizei als solche gewesen. Über die Hintergründe – Mafiakrieg, politischer Anschlag, Provokation – selbst war bis Montagnachmittag nichts bekannt. Dafür war Papps Pressekonferenz dramatisch inszeniert: Zu Beginn wurde ein Sound-Bite mit den Hilferufen des verletzten Polizisten eingespielt.

Aufgeheizte Kampagne

Am kommenden Sonntag findet in Ungarn eine Volksabstimmung statt. Der rechtspopulistische Regierungschef Viktor Orbán möchte, dass das Stimmvolk die EU-Quoten für die Verteilung von Asylbewerbern ablehnt. Damit das Referendum gültig ist, müssen mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben.

Seit Monaten zieht die Orbán-Regierung daher eine gigantische Kampagne durch, die Ängste und Ablehnung gegen Fremde schüren soll und Flüchtlinge mit potenziellen Terroristen gleichsetzt.

Bisher legte sich kein Offizieller auf eine Bezeichnung der Geschehnisse als Terroranschlag fest oder auf eine Beteiligung von Ausländern. Doch selbst wenn bis zum Referendumstag nicht viel mehr bekannt werden sollte, spielt die Situation dem Regierungslager in die Hände. Gerade in seiner Unbestimmtheit erscheint der blutige Anschlag wie eine Bestätigung der mit diffusen Bedrohungsbildern operierenden Referendumspropaganda. (Gregor Mayer aus Budapest, 26.9.2016)