Wien – Es war eine Aufführung, während der Fragen aufpoppten wie Schwammerln im Herbstwald: Ob die Wiener Staatsoper nicht vielleicht doch mit einem abgedeckelten Orchestergraben à la Bayreuth experimentieren sollte? Oder mit Mikroports für die Sänger? Oder mit beidem? Warum engagiert das Haus für teures Geld Stimmkünstler, wenn diese über weite Strecken des Abends nur als pantomimische Akteure wahrzunehmen sind? Und warum gibt Dirigent Alain Altinoglu den Sängern akribisch ihre Einsätze, ohne dass es ihn interessiert, ob sie danach zu hören sind?

Wie man am engen Themenfeld des weiten Fragekreises erkennen kann, war es die Balance zwischen Orchestergraben und Bühne, die bei der Mittwochsvorstellung von Richard Strauss' Salome alles andere als optimal war. Norbert Ernst tat das Richtige und entschied sich als Narraboth schon nach kurzer Zeit für seinen freiwilligen Bühnentod – wohl nicht nur aus Gründen mangelnder Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der poshigen Prinzessin.

Kaum je delikat

Das wohlstandverwahrloste Luxusweibchen gab Erika Sunnegardh erstmals im Haus am Ring: Man nahm eine durchschlagskräftige hohe Lage wahr und sonst nicht sehr viel. Jane Henschel nahm sich als Herodias ihre Tochter zum Vorbild und schmetterte einzelne Spitzentöne raus, wenn auch deutlich glanzfreiere. Immerhin ist die 64-Jährige auf ihre ganz spezielle Art eine Erscheinung. Am durchsetzungsfähigsten agierte Gerhard A. Siegel als Herodes. Kregel, mit einer aufgedrehten Körperlichkeit gab er den "Sohn eines Kameltreibers"; für einen Charaktertenor ist seine Stimme fast geschmeidig-rund.

Matthias Goerne gab sich Mühe, den Jochanaan mächtig männlich klingen zu lassen; gut gehört hat man ihn nur bei seinem "Du bist verflucht", als das Orchester schwieg. Dieses war, wenn laut, dann nie überschäumend, und wenn leise, dann kaum je delikat. Maue Begeisterung von der Stange für alle. (end, 23.9.2016)