Es hat wohl niemand erwartet, dass sich der Altbundespräsident an die Spitze eines Wahlkomitees für Alexander Van der Bellen setzen würde. Was Heinz Fischer zur Wahl zu sagen hat, ist maßvoll und berechenbar. Vielleicht sogar: ein bisserl fad.

Aber nach den vielen Monaten der Wahlauseinandersetzung ist man schon froh über die Art der Orientierung, die jemand wie Fischer geben kann. Kein böses Wort über Norbert Hofer, aber ein paar freundliche über Van der Bellen. Keine Wahlempfehlung, aber eine Empfehlung, wählen zu gehen. Das nämlich hält die Demokratie lebendig: dass man eine Meinung, eine Haltung, womöglich persönliche Grundsätze hat – und zwar, ohne deswegen alle, die sich anderen Grundsätzen, anderen Haltungen oder anderen Meinungen verpflichtet fühlen, für schlechtere Menschen zu halten oder gar als schlechtere Menschen zu denunzieren. Sondern allenfalls zu versuchen, sie zu überzeugen.

Dieses politische Grundverständnis, das die Zweite Republik geprägt und letztlich erfolgreich gemacht hat, haben alle Bundespräsidenten seit 1945 – auch der umstrittene, aber selbst in Streitigkeiten kaum eingreifende Kurt Waldheim – zu vermitteln versucht. Es gilt, das demokratische Staatswesen und seine Institutionen gegen Schreihälse, Hitzköpfe, Intriganten und Verschwörungstheoretiker in Schutz zu nehmen. Irgendwie merkt man, dass uns ein Staatsoberhaupt fehlt, das diese Aufgabe wahrnimmt. (Conrad Seidl, 23.9.2016)