Einem besonderen Aspekt des immergrünen Fin de Siècle widmen sich Tobias Natter, Max Hollein und Klaus Albrecht Schröder. Vertreten sie doch angesichts der gemeinsam kuratierten Ausstellung und akkordierenden Publikation über Holzschnitte die These, dass das demokratisierende Postulat Kunst für alle damit erfüllt wurde. Stichwort Reproduzierbarkeit, Druck, Verfügbarkeit.

Beeinflusst von Japonismus und chinesischer Schrift- und Stempelkunst perfektionierten Künstler des Wiener Fin de Siècle den Holzschnitt. Im Bild Serien von Carl Moll.
Aufschlagseite aus der Monografie "Kunst für alle", fotografiert von Lukas Friesenbichler

Den Einfluss asiatischer Kalligrafie, chinesischer Schrift- und Stempelkunst auf Klimt, Schiele und die Secessionisten haben zahlreiche Retrospektiven im Im- und Ausland letzthin luzide dekuvriert. Fasziniert von Asiatika, entdeckte man gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Kunst des Holzschnitts neu. Zu den Künstlern, die die Technik aufgriffen und modernisierten, zählten auch viele Mitglieder der Secession. Durch die Reproduzierbarkeit fügte sich das Medium ideal in das Konzept von Avantgarde und Moderne ein.

Der Prachtband Art for All stellt exzellente Beispiele der Renaissance des Farbholzschnitts in Wien um 1900 vor: von Gustav Klimt, Emil Orlik, Carl Moll, Kolo Moser, verloren geglaubte Preziosen von Franz von Zülow, Fanny Zakucka, Wilhelm List, Elena Luksch-Makovsky, Ludwig Heinrich Jungnickel, Hilde Exner, Ditha Moser et alii. Mehr als 40 Kreative werden präsentiert und porträtiert, Bildanalysen und Essays unterstreichen die bislang unterschätzte Tragweite dieses Kapitels der Kunstgeschichte, in dem der Japonismus nachhallt und die Moderne bereits aufscheint. Die Künstler verhalfen dem Holzschnitt zu neuem Ruhm und trugen zur Entwicklung einer modernen Bildsprache bei. Die grafische und farbliche Intensität ist heute ungebrochen beeindruckend. (Gregor Auenhammer, Album, 24.9.2016)