Gleichberechtigung, nicht Gleichmacherei. Unterschiede sind nicht das Problem. Machtansprüche hingegen schon.

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Ah, da ist er ja wieder. Der übliche, leicht variierte Text, in dem ein heterosexueller, mittelalter, weißer Mann (also quasi ich) darüber Auskunft gibt, für wie überflüssig und ekelhaft er Feminismus hält. Wahlweise wird Feminismus bei solchen Gelegenheiten als latzhosig, ungefickt, zahnbehaart, männerhassend oder alles zusammen beschrieben. Mit einer ordentlichen Prise "Rape Culture? Pah!", ganz viel "Eigentlich sind wir das benachteiligte Geschlecht"- und "Väterrechte, verdammt!"-Streuseln. Hmm, lecker.

Der Mann der Stunde heißt Dave Hon und hat eine Kolumne darüber geschrieben, warum er niemals eine Feministin daten wird. Die seien eben alle männerfeindlich. Und außerdem wäre es ihm viel zu anstrengend, wenn eine Romanze ständig zu einem Machtkampf ausartet und nicht zu einer Partnerschaft. Das Ganze ist nicht unbedingt der bösartigste oder uninformierteste Angriff auf den Feminismus, den ich je gelesen habe, aber in seiner Kürze so wunderbar exemplarisch und widersprüchlich, dass sich die Auseinandersetzung damit lohnt.

Das fängt schon bei der Prämisse an: Der Mann würde also nicht Beyoncé daten wollen. Kann ich persönlich nicht nachvollziehen, ist aber seine Entscheidung. Mit allen anderen Feministinnen kann er sich aber auch keine Beziehung vorstellen. Dabei scheint ihm entgangen zu sein, dass es dafür ja Feministinnen geben müsste, die an einer Beziehung mit ihm interessiert wären. Wenn ich Ihnen beispielsweise in jeder Kolumne versicherte, dass ich es entschieden ablehne, Bundeskanzler der Republik Österreich zu werden, dann würden Sie sich schon irgendwann erkundigen, wer mir das überhaupt angeboten hat. Die US-amerikanische Feministin Jessica Valenti kommentierte daher seine "Ich werde niemals eine Feministin daten"-Aussage mit einem trockenen: "Stimmt."

Andere wollen einen gigantischen Seufzer der Erleichterung von allen Feministinnen weltweit vernommen haben oder weisen darauf hin, dass Dave Hon womöglich keine selbstbewusste Frau gefunden hat, die mit ihm ausgehen wollte, und jetzt im Nachhinein so tut, als hätte er die Wahl gehabt.

Liebevolle, friedliche Beziehung

Das geht weiter mit seinem ausgesprochen limitierten Verständnis von Feminismus. Rechte für Frauen, das sei ja alles schön und gut, aber bitte nicht so übertrieben und nicht auf Kosten einer liebevollen, friedlichen Beziehung. Doch, unbedingt! Denn was ist eine solche Beziehung wert, in der Menschen nur oberflächlich einander zugewandt sind, tatsächlich aber davon profitieren, den anderen bewusst oder unbewusst permanent in den Nachteil zu setzen? Was ist eine Beziehung wert, in der er morgens so tut, als würde er noch schlafen, damit sie sich um die Kinder kümmert? Sie also nicht fragt, es am Abend zuvor nicht bespricht, keinem Wochenplan folgt oder keine Gegenleistung anbietet.

Für diese Situation gibt es ein Sprichwort, das nicht nur Feministinnen schätzen: Verarschen kann ich mich alleine! Dafür brauche und will ich kein Gegenüber. Denn in einer feministischen Beziehung geht es darum, dass keine Person strukturell mehr Dinge als die andere tun muss, die sie nicht will und die sie benachteiligen. Und wenn man es genau nimmt, auch keine Person außerhalb dieser Beziehung. Dass Oksana das Klo putzt, damit Stefanie und Christian gleichberechtigt sind, ist so nicht in Ordnung.

Abgekartetes Spiel

Feminismus verteilt keine Arschkarten und will keine bekommen. Feminismus erhebt sich vom Tisch, ruft empört, dass das ein abgekartetes Spiel ist, und verlangt ein neues Deck und bessere Regeln. Manchmal sogar ein neues Spiel. Dass Dave Hon nun traurig ist, weil es doch so eine nette, gemütliche Runde war, ist seine Sache. Leider hat er bei aller Freude über seine gezinkten Karten übersehen, dass Gleichberechtigung nicht Gleichmacherei bedeutet. Eine Hausfrau kann ebenso Feministin sein wie die Chefin eines multinationalen Konzerns. Lesbische Mütter von drei Kindern genauso wie Singlefrauen. Unterschiede sind nicht das Problem. Machtansprüche und Unterdrückungsmechanismen, die mit angeblichen oder tatsächlichen Unterschieden gerechtfertigt werden, hingegen schon.

Dave Hon findet es falsch, wenn Menschen ihrem Geschlecht treuer sind als dem Menschen, mit dem sie eine Beziehung führen, und macht doch genau das: Er beharrt auf ebendiesen Vorteilen und der Arschkartenverteilung, die für sein Geschlecht leider typisch sind. Lieber weiterhin "wie ein Mann" als mit einer feministischen Frau. Dabei wäre es doch gerade spannend, eine Feministin zu daten, um herauszufinden, ob Mann dieses Spiel auch ohne Schummeln und extra Männlichkeitstrümpfe spielen kann. Wie sich der Boden, auf dem Mann steht, anfühlt, wenn Mann dabei nicht die Rechte anderer mit Füßen tritt. Was Erschöpfung und Glück bedeuten, wenn jede und jeder zu gleichen Teilen daran partizipieren kann. Und wie es sich fickt, wenn alle Beteiligen dabei gleich viel zu gewinnen und zu verlieren haben. Dave Hon scheint diese Vorstellung zu missfallen. Ich hingegen finde sie ziemlich geil. (Nils Pickert, 25.9.2016)