So sollen die Pixel-Smartphones aussehen, die wichtigste Neuerung ist aber nicht in Hard- oder Software suchen, sondern in der Strategieänderung, die damit einhergeht.

Grafik: Android Police

Als Google vor wenigen Tagen einen Launch-Event für den 4. Oktober ankündigte, sorgte dieser Umstand alleine nur für wenig Verblüffung. Immerhin kündigt das Unternehmen jedes Jahr um diese Zeit neue Smartphones aus seiner Nexus-Reihe an. Doch was dann folgte, war selbst für Branchen-Insider verblüffend. Jenes Unternehmen, das eigene Hardware bisher kaum bewirbt, befeuert nun den Hype für den Launch-Event mit Werbung im öffentlichen Raum und im Fernsehen.

Neuausrichtung

Bei The Verge meint man darin eine radikale Umkehr der Hardwarestrategie bei Google zu erkennen. Waren bisherige Nexus-Geräte vor allem als Entwicklungsplattformen für neue Android-Generationen gedacht, will Google nun offenbar zu einem ernsthaften Hardwarehersteller werden. NIcht zuletzt bedeutet dies, dass das, was viele Beobachter schon vom Android-Start weg erwartet hatten, nun endlich eintreffen könnte: Google legt sich direkt mit Apple und dessen iPhone an, indem man sowohl Software- als auch Hardwarentwicklung in die Hand nimmt.

Die entscheidenden Hinweise auf solch eine Neuausrichtung gibt Google übrigens selbst. Da wäre einerseits der Umstand, dass die neuen Smartphones nicht mehr unter der Marke Nexus sondern dem Namen "Pixel" verkauft werden sollen. Diese Marke ist jenen Geräten vorbehalten, die von Google selbst entwickelt werden, in der Vergangenheit waren dies etwa das Tablet Pixel C oder das Chromebook Pixel. Nexus-Geräte wurden hingegen mehr oder weniger stark von einem anderen Hardwarepartner gepägt, zuletzt kamen dabei Huawei und LG zum Zug.

Zwar soll Google bei der Entwicklung der Pixel-Smartphones mit HTC kooperiert haben, offenbar sieht man das taiwanesische Unternehmen hier aber rein in der Rolle des Auftragfertigers. Dass die neuen Smartphones als durch-und-durch-Google vermarktet werden wollen, belegt auch die Teaser-Seite für den Launch-Event, deren zentrale Aussage "Made by Google" ist.

Android-Umschichtung

Interessant ist diese Neuausrichtung aber auch in ihren Auswirkungen für die Android-Welt. Immerhin gibt Google damit die Rolle des neutralen Softwareherstellers auf, der anderen weitgehend den Hardwareverkauf überlässt. Mit den Pixel-Smartphones tritt man in direkte Konkurrenz zu langjährigen Partnern wie Samsung oder Huawei. Und dies offenbar auch wenn es um den Platz bei den Mobilfunkbetreibern gibt: Aktuelle Berichte sprechen davon, dass Google in den einen Deal mit dem US-Provider Verizon geschmiedet hat, um seine Geräte prominent in dessen Shops zu platzieren und auf diesem Weg an die Kunden zu bringen.

Spurensuche

Bleibt die Frage, warum Google gerade jetzt diese Kehrtwende vollzieht. Bei The Verge geht man davon aus, dass das Unternehmen schlicht mit dem aktuellen Stand der Android-Welt frustriert ist. Während Apple Hard- und Software im Tandem entwickeln kann, übernehmen Android-Hardwarehersteller die Google-Software und passen sie mehr oder weniger gut für ihre jeweilige Hardware an. Nun wolle sich Google diesem Modell anpassen, so die Interpretation der Blogger.

Und tatsächlich gibt es einiges, das darauf hinweist: So sind in den letzten Wochen Informationen durchgesickert, dass Google dieses Mal die Software stärker auf die eigenen Apps zuschneiden will. Auch sollen die Pixel-Smartphones einige exklusive Features erhalten, die im Basis-Android nicht zur Verfügung stehen. Ebenfalls nicht zu vergessen: Android-Chef Hiroshi Lockheimer hatte vor einigen Monaten erstmals öffentlich seiner Frustration über mangelnde Updates in der Android-Welt Ausdruck verliehen. Und auch wenn die Update-Politik der Google-Geräte nicht perfekt sein mag, deutlich flotter – und zuverlässiger – als alle anderen Hersteller ist man allemal.

Kartellrecht als Motivator

Zudem könnte aber noch ein zweiter Faktor im Umdenken eine Rolle spielen: Die kartellrechtlichen Untersuchungen, die die EU aber auch Russland und andere Länder gegen Android eingeleitet haben. Geht es bei diesen doch um die Regeln, die Google seinen Partnern für die Nutzung von Android beziehungsweise dem Zugriff auf den Play Store auferlegt – nicht zuletzt die Vorinstallation einer Reihe von Google-Apps. All diese Untersuchungen greifen nicht, wenn es um Google-eigene Hardware geht, hier kann das Unternehmen – ähnlich wie auch Apple – installieren, was auch immer man will. Erreicht Google mit seinen Smartphones nun einen signifikanten Marktanteil in der Android-Welt, könnte man auch die Regeln für Dritthersteller lockern – oder es besser verkraften, wenn man durch EU und Co. dazu gezwungen wird.

Dies wäre eine signifikante Änderung des Googleschen Geschäftsmodells rund um Android. Bisher hat das Unternehmen dieses als Vehikel zur Verbreitung der eigenen Services betrachtet, und dafür das Betriebssystem an seine Partner verschenkt sowie als Open Source zur Verfügung gestellt.

Langfristiges Projekt

Klar ist dabei auch: Die jetzt vor der Vorstellung stehenden Geräte sind nur ein erster Schritt in diese Richtung. Google wird seinen Einfluss auf die Entwicklung der Geräte in den kommenden Jahren immer weiter ausbauen und die Verschmelzung von Hard- und Software vorantreiben. Und dies könnte schlussendlich auch eine grundlegende Umschichtung in der gesamten Smartphone-Welt zur Folge haben. (Andreas Proschofsky, 23.9.2016)