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Lula da Silva war Präsident Brasiliens. Jetzt wird der 70-Jährige bald wegen Korruptionsvorwürfen rund um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras vor Gericht stehen.

Foto: REUTERS/Paulo Whitaker

Vierzehn große Übel rund um Korruptionsaffären und kriminelle Methoden des Machterhalts der brasilianischen Politelite hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Powerpoint-Präsentation zusammengefasst, und alle deuteten sie mit Pfeilen direkt auf einen Namen: Luiz Inácio da Silva, meist kurz Lula genannt, Brasiliens früheren Präsidenten.

Seit Mittwoch steht fest, dass sich der 70-Jährige mit dem grauen stoppeligen Vollbart wegen Korruptions- und Geldwäschevorwürfen vor Gericht verantworten muss, mehr noch: Er soll der eigentliche Kopf des Korruptionsrings um den staatlichen Erdölkonzern Petrobras gewesen sein.

Lula bestreitet die Vorwürfe; die Anklage sei ein politisches Manöver, um nach der Absetzung seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff auch seine Kandidatur 2018 zu verhindern. Nicht nur die von ihm gegründete Arbeiterpartei kommt damit noch mehr unter Druck, mit der richterlichen Entscheidung stellt sich nun auch die Frage, wie Lula in die Geschichtsbücher eingehen wird: als charismatischer Gewerkschaftsführer, der zuerst gegen die Militärdiktatur und später als Präsident für den Aufstieg und das Ansehen Brasiliens kämpfte? Oder als korrupter Politiker, gar Krimineller?

Es birgt eine gewisse Ironie, dass der Kampf gegen die korrupten Machenschaften letztlich auf Lula selbst zurückzuführen ist: Ihm ist es zu verdanken, dass während seiner Amtszeit (2003 bis 2011) 40 Millionen Brasilianer den Aufstieg aus der Armut geschafft haben. Eine Mittelschicht, die heute an die 40 Prozent der Bevölkerung ausmacht, emanzipierte sich und tritt zunehmend selbstbewusster gegen die systemimmanente Korruption auf.

Lula, Sohn zweier Analphabeten, aufgewachsen in einem Armenviertel von São Paulo, hat es immer schon verstanden, sich in scheinbar divergierenden Welten zu bewegen: Von den Armen wird der fünffache Familienvater für seine Sozialprojekte gefeiert, von den Reichen wurde er ebenso gewählt, weil sich der einstige Metallarbeiter gleichzeitig für wirtschaftliche Interessen einsetzte. Sein Credo von einer multipolaren Welt predigte er sowohl beim Davoser Weltwirtschaftsforum als auch beim globalisierungskritischen Weltsozialforum. Bis heute gilt er als Übervater der südamerikanischen Linken, über den auch US-Präsident Barack Obama sagt: "I love this guy." In Brasilien ist Lula immer noch der populärste Politiker. Nur Jesus sei beliebter, sagt Lula selbst. Zumindest war das bisher so. (Anna Giulia Fink, 22.9.2016)