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Neelie Kroes hat Erklärungsbedarf.

Foto: Reuters/Herman

Nassau – Nach Panama geraten nun auch die Bahamas als Steueroase in den Fokus der Aufmerksamkeit. Das Journalistenkonsortium ICIJ, das im Frühjahr auf Briefkastenfirmen in Panama aufmerksam gemacht hatte, hat am Mittwoch Informationen über finanzielle Aktivitäten Prominenter auf den Bahamas veröffentlicht. Insbesondere wird die frühere EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes angeprangert.

Die Niederländerin, die 2004 bis 2010 EU-Kommissarin war, sei von 2000 bis 2009 Direktorin der Firma Mint Holdings (Mint Limited) auf den Bahamas gewesen und habe das weder der Öffentlichkeit noch der EU-Kommission mitgeteilt, heißt es auf der ICIJ-Website.

"Nie operativ"

Kroes bestätigte, ihre Verbindung zu dieser Firma nie veröffentlicht zu haben. Sie ließ aber das ICIJ über einen Anwalt wissen, die Firma sei nie operativ gewesen, es sei ein Verwaltungsfehler gewesen, sie nicht aus dem Register zu streichen. Das Unternehmen sei von einem mit ihr befreundeten jordanischen Geschäftsmann gegründet worden, um zu prüfen, ob man Anteile des US-Energieriesen Enron, der später pleiteging, übernehmen könne. Da der Deal nicht zustande kam, sei sie davon ausgegangen, dass ihre Beteiligung hinfällig gewesen sei. Als sie 2009 bemerkt habe, dass ihr Name noch in den Registern steht, habe sie diesen "Fehler korrigiert".

Wie die mit dem ICIJ in einem Recherchenetzwerk verbundene "Süddeutsche Zeitung" berichtet, sei man auch auf die Namen von etlichen amtierenden und ehemaligen Staats- und Regierungschefs sowie hochrangigen Politikern gestoßen. Darunter sind der ehemalige kolumbianische Minenminister Carlos Caballero Argáez, der katarische Ex-Premier Hamad bin Jassim bin Jaber al-Thani und der angolanische Vizepräsident Manuel Domingos Vicente. Sie tauchen in den Dokumenten als Direktoren, Sekretäre oder Präsidenten von bahamaischen Firmen auf.

Beteiligungen an Offshore-Unternehmen sind an sich nicht illegal. Sie werden jedoch häufig dazu genutzt, Vermögensverhältnisse im Herkunftsland zu verschleiern – insbesondere vor Steuerbehörden. Als Direktor werden bei diesen Firmen Mitglieder des Direktorenrats (englisch: Board of Directors) bezeichnet, der für die Geschäftsführung verantwortlich ist.

Spuren zu Magic-Life-Gründer

Wie das Ö1-"Morgenjournal" berichtete, führen Spuren auch nach Österreich – wie bereits bei den Panama-Papers. Laut "ZiB 2" scheinen 70 österreichische Adressen auf, gehäuft in Vorarlberg. Demnach ist auch der österreichisch-türkische Gründer der Magic-Life-Gruppe sowie von Gulet-Reisen, Cem Kinay, in dubiose Karibikgeschäfte verwickelt. Kinay hatte seine Anteile an den Unternehmen im Jahr 2004 verkauft. Seine Pläne zur Umsetzung von Luxusimmobilien in der Karibik, die er anschließend verfolgte, endeten jedoch mit Korruptionsvorwürfen.

2009 nahm Kinay laut Ö1 offenbar Kontakt mit Mossack Fonseca auf – der Anwaltskanzlei, die im Zentrum der Enthüllungen rund um die Panama-Papers steht. Aus einer E-Mail gehe hervor, dass er auf der Suche nach einer Kontenkonstruktion gewesen sei, die ihn vor steuer- und strafrechtlicher Verfolgung schützt. Fündig sei er in Belize geworden. Dass er zur Verfolgung seiner Ziele dortige Politiker bestochen hat, wies Kinay immer energisch zurück. Er lebt heute in der Türkei, Belize versuchte vergeblich, per internationalen Haftbefehl seine Auslieferung zu bewirken. In einer türkischen Zeitung gab Kinay eine Stellungnahme ab: Er sei bei dem Karibikprojekt einer politischen Intrige zum Opfer gefallen.

Zehntausende Firmendaten

Insgesamt veröffentlichte das ICIJ rund 1,3 Millionen Dokumente aus dem Firmenregister der Bahamas mit den Namen von Direktoren und manchen Eigentümern von mehr als 175.000 Firmen, Fonds und Stiftungen auf den Bahamas, die zwischen 1990 und 2016 registriert wurden. Die Veröffentlichungen sind damit bei weitem nicht so umfangreich wie jene zu Panama und geben auch längst nicht so viele Informationen preis. Es finden sich beispielsweise keine internen E-Mails und Passkopien.

Laut ICIJ werden damit dennoch Verflechtungen mit Firmen offengelegt, die von früheren oder aktuellen Politikern aus Amerika, Afrika, Europa, Asien und dem Nahen Osten besessen oder geführt werden.

Die Bahamas stehen auf der EU-Liste der unkooperativen Steueroasen. Laut der Organisation Tax Justice Network gibt es weltweit nur wenige Steueroasen, in denen sich Geld noch besser verstecken lässt. "Die Bahamas haben immer nach ihrer Nische im Offshore-Geschäft gesucht", sagt der Experte und Buchautor Nicholas Shaxson, "und dabei haben sie immer auch schmutziges Geld angelockt – Geld, von dem andere ihre Finger gelassen haben", zitiert ihn die "SZ".

Moscovici fordert strenge Strafen

Die jüngsten Enthüllungen seien ein "Beweis für das enorme Ausmaß von globaler Steuerhinterziehung und Steuervermeidung", erklärte der zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici am Donnerstag. Sie rechtfertigten auch die Arbeit der Kommission für eine größere Steuertransparenz und würden ein Licht auf Steueroasen werfen.

Erst vergangene Woche habe die Kommission eine erste weltweite Risikobewertung zur Identifizierung von Steueroasen vorgenommen. Auf dieser Liste seien die Bahamas als "Hochrisikoland" angeführt worden. "Heute rufe ich neuerlich die EU-Staaten auf sicherzustellen, dass wir 2017 eine gemeinsame europäische Liste von Steueroasen haben werden." Dabei müssten auch strenge und anwendbare Strafen für Länder enthalten sein, die es ablehnen, nach Vorschrift zu agieren, und so ein Versteck für unversteuerte Vermögen bieten. (APA, red, 21.9.2016)