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Die Figur des Lieutenant Uhura, dargestellt von Nichelle Nichols, war in den 1960er-Jahren ein deutliches Zeichen für das Civil Rights Movement und den Feminismus, sagt Nicole Kubitza.

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Nicole Kubitza: "Was die Kleidung und Präsentation von Frauen angeht, war die Serie eindeutig für den männlichen Blick konzipiert und weist damit durchaus sexistische Züge auf."

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Nicole Kubitza
Pretty in Space

Die Frauendarstellung in Star Trek und anderen US-amerikanischen Dramaserien der 1960er-Jahre
V&R unipress 2016
373 Seiten, 50 Euro

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STANDARD: Das Raumschiff Enterprise brach auf, um neues Leben zu erforschen. Science-Fiction bietet die Chance, die Welt, wie sie ist, hinter sich zu lassen und sich neue Gesellschaftsformen auszudenken. Wurde der Stoff für feministische Utopien genutzt?

Nicole Kubitza: Science-Fiction kann in der Tat dazu dienen, Diskurse aufzugreifen, weiterzutragen und einen Zukunftsentwurf zu machen. In "Star Trek" gab es durchaus fortschrittliche Frauenfiguren. Allein die Tatsache, dass so viele Frauen auf dem Raumschiff arbeiteten und dass sie in ihren Jobs so sichtbar waren, war schon eine Botschaft an sich. Aber in den 1960er-Jahren war Science-Fiction noch ein Männergenre, ähnlich wie der Western. "Star Trek" hat damit zwar ein bisschen gebrochen, aber der feministische Diskurs war nicht das tragende Element dahinter. Was die Kleidung und Präsentation von Frauen angeht, war die Serie eindeutig für den männlichen Blick konzipiert und weist damit durchaus sexistische Züge auf.

STANDARD: Sexismus und Rassismus treten oft im Duett auf. Konnten Sie in Ihrer Analyse auch Gegendarstellungen ausmachen, die sowohl feministische als auch antirassistische Spuren tragen?

Kubitza: Auf jeden Fall. Allein in der Figur des Lieutenant Uhura – einer Afroamerikanerin. Sie derart präsent als gleichberechtigtes Mitglied der Enterprise zu zeigen, war ein deutliches Zeichen für das Civil Rights Movement und den Feminismus. Nichelle Nichols, die Uhura darstellte, wurde nicht zuletzt deshalb Sprecherin der Nasa. Die erste afroamerikanische Astronautin sagte später, sie wurde durch "Star Trek" beeinflusst. Die Figur der Uhura vermittelte ihr, dass sie alles werden könne, was sie wolle – und sie wurde Astronautin. Es gibt auch eine berühmte Begegnung zwischen Nichols und Martin Luther King. Der Bürgerrechtler sprach die Schauspielerin gezielt an und sagte ihr, was für einen großen Dienst sie an der Black Community leiste, weil sie eben nicht den gängigen Klischees im damaligen Fernsehen entspreche.

Darüber hinaus gibt es einige Folgen, die sich explizit mit Rassismus befassen. Eine sticht hier ganz besonders heraus: "Let That Be Your Last Battlefield" in Staffel drei. Es geht um zwei verfeindete Völker mit jeweils schwarz-weißer Hautfarbe. Hier ist eindeutig eine Kritik an der Sinnlosigkeit von Rassendiskriminierung angelegt – und damit auch eine Kritik an der Politik der USA. Ähnliches gibt es auch zum Vietnamkrieg, wo sich "Star Trek" ganz klar zum politischen Diskurs positioniert hat. Das macht die Originalserie ja so interessant, weshalb ich sie auch ausgewählt habe, um zu untersuchen, inwiefern popkulturelle Medien einen Quellenwert für die Geschichtswissenschaft haben können.

STANDARD: Wie wurden die politischen Äußerungen damals rezipiert?

Kubitza: Das ist recht unterschiedlich. Aber gerade durch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich aktuellen Themen und dem Bruch von Konventionen hatte "Star Trek" durchaus das Potenzial, Aufsehen zu erregen. Denken wir an die Folge, in der Captain Kirk Lieutenant Uhura küsst. Das war der erste gemischtrassige Kuss in der Geschichte des US-amerikanischen Fernsehens – der wurde von den Südstaaten gar nicht erst gezeigt, die Episode wurde boykottiert. Ansonsten gab es hinsichtlich der Rezeption eine riesengroße Fangemeinde – vor allem von jungen Leuten an den Universitäten. Das hat sich insbesondere gezeigt, als die Serie nach der zweiten Staffel eingestellt werden sollte und das mittels einer Briefkampagne verhindert wurde. Diese war übrigens interessanterweise von einer Frau ins Leben gerufen worden: Bjo Trimble.

STANDARD: In Ihrem Buch "Pretty in Space" schreiben Sie, dass die am häufigsten vorkommenden Frauenstereotype zum einen die Heldin, zum anderen aber die "brave Hausfrau" und das "Opfer" sind. Warum ist das so?

Kubitza: Dass es immer noch so viele "Brave Hausfrau"- und "Opfer"-Stereotype gibt, ist zum einen dem Genre geschuldet. In der Science-Fiction ist das Sujet der "damsel in distress" ein klassisches Thema, also die Frau, die vom großen Helden gerettet werden muss, weil das Monster sie gefangengenommen hat. Zum anderen sind es aber eben die 1960er-Jahre. Da ist die "brave Hausfrau" ein stark in der Gesellschaft verankertes Stereotyp – so hat man sich eben idealtypisch die Frau vorgestellt. Damit kann die Serie nur in einem begrenzten Rahmen brechen, weil sonst die Zielgruppe verlorengeht. In erster Linie ist eine Fernsehserie immer ein Konsum- und Verkaufsobjekt und muss der Erwartungshaltung der Zuschauer entsprechen. Dazu kommen die ständig wechselnde DrehbuchautorInnen, die natürlich auch immer unterschiedliche Ansichten hatten, wie eine Frau zu sein hat. Dennoch gibt es sie – die Heldin, die auch mal den Captain retten darf, oder die smarte Wissenschafterin, die des Rätsels Lösung findet.

STANDARD: Wie korrespondieren die Darstellungen von Ehe und Familie mit dem Bild der 1950er-Jahre?

Kubitza: Ehe und Familie werden bei "Star Trek" durch und durch konservativ gedacht. Eine Ehe ist immer klassisch aufgebaut, der Mann ist das Oberhaupt und der Lehrer der Familie. Er steht in der Regel als sachlicher Mann der emotionalen und sich unterordnenden Frau gegenüber. So sehr die Serie ansonsten mit vielem bricht – Ehe- und Familienbilder in "Star Trek" sind jedoch ganz klar in den Rollenvorstellungen der 1950er-Jahre verankert.

STANDARD: Frauen können also nur als Single stark sein?

Kubitza: Ja, die starke Frauenfigur gibt es in Star Trek nur als Single. In der zweiten Pilotfolge, "Where no Man has gone before", gibt es beispielsweise eine starke Frau. Eine kühle, sachliche und professionelle Wissenschafterin, die lange Zeit auch als "glacier", also als Eisberg, bezeichnet wird. Sie verliebt sich dann aber in einen anderen Offizier, der durch außerirdische Strahlung zu einem gottähnlichen Übermann mutiert. Darauf folgt, dass diese starke Frau sich und ihre Profession völlig vergisst. Das ist ein Topos, der sich durch die gesamte Serie zieht: die starke Frau, die schwach wird durch die Liebe zum überlegenen Mann. Das gibt es so beispielsweise auch im Western, wo die Unterwerfung häufig mit dem Fall der Waffe einhergeht. Die Frau ergibt sich im wahrsten Sinne des Wortes und lässt ein Messer nach dem anderen fallen, während er sie leidenschaftlich küsst.

STANDARD: Das heißt, es gab keine Ausbrüche aus der Geschlechterdichotomie und Heteronormativität – auch nicht in der Beschreibung außerirdischen Lebens?

Kubitza: "Star Trek" war beim Thema Homosexualität sehr, sehr zurückhaltend. In der Originalserie der 1960er-Jahre ist das Thema noch undenkbar, aber auch in den späteren Serien wird das Potenzial, dass eine Science-Fiction Serie hätte, in diesem Bereich nicht genutzt. Eine der wenigen Grenzüberschreitung in der Geschlechterdarstellung kommt in der allerletzten der insgesamt 79 Episoden der Originalserie: "Turnabout Intruder" vor, in der die Wissenschafterin Dr. Janice Lester mittels eines außerirdischen Geräts zwangsweise Captain Kirks Körper an sich reißt und den Geist mit ihm tauscht. Das heißt, man sieht eine Frau (Lester) in einem männlichen Körper (Kirk) agieren und wiederum einen Mann (Kirk) in einem weiblichen Körper (Lester). Diese Folge ist dahingehend sehr interessant, weil die Frau in dem Männerkörper als hysterisch und unzurechnungsfähig dargestellt wird und der Mann im Frauenkörper sehr ruhig, gelassen und sachlich ist. In der Forschung ist strittig, wie dieser Tausch der Körper im Rahmen des Feminismus zu interpretieren ist.

Ähnlich umstritten ist auch die als allererste Folge ausgestrahlte Episode "The Man Trap". Da gibt es ein Wesen, das sich immer als die Fantasie seines Gegenübers inszeniert. Also ein Wesen, das beide Geschlechter einnehmen kann, je nachdem, wem es gegenübersteht. Es wird nie geklärt, welches Geschlecht dieses Wesen hat. In der Forschung wird es gern als Frauenfigur und bösartiger Sukkubus interpretiert.

STANDARD: Hat sich zum Schluss der Serie der Blick auf die Quote durchgesetzt?

Kubitza: Ich denke, dass zum Ende hin das große Ganze verlorenging. Der Anspruch, eine gesellschaftskritische Serie machen zu wollen, ging verloren – nicht zuletzt durch den Quotendruck, aber auch durch Geldmangel, der die Möglichkeiten extrem einschränkte. Außerdem war bereits zu Beginn der dritten Staffel bekannt, dass es die letzte sein würde, was die Motivation gedrückt hat.

Kehren wir beispielsweise nochmal zu Uhura zurück. Für diese Figur gibt es eine ausgefeilte Hintergrundgeschichte, die nie zum Tragen kam. Die Figur rückt stetig stärker in den Hintergrund zugunsten von Action und Knalleffekten. Zudem hat es meiner Meinung auch damit zu tun, dass Dorothy Fontana in der dritten Staffel nur noch am Rande beteiligt war. Bei ihr handelte es sich ursprünglich um die Sekretärin des Serienerfinders Gene Roddenberry, doch sie entwickelte sich erst zur Autorin und dann zur Drehbuchkonsultantin. Das war übrigens äußerst selten, dass eine Frau fest bei einer Actionserie angestellt war. So wurde sie beispielsweise als Autorin für eine zeitgleich produzierte Kriegsserie namens "Combat!" abgelehnt, weil sie als Frau angeblich nicht für eine solche Serie schreiben könne.

Aber auch in der dritten Staffel gab es aus feministischer Perspektive sehr interessante Episoden, wie "Enterprise Incident", in der wir es erstmals mit einem weiblichen Commander eines Raumschiffes zu tun bekommen, oder die schon erwähnte Episode: "Turnabout Intruder", in der eine Frau mit Gewalt das Kommando der Enterprise an sich reißt, um zu beweisen, dass auch Frauen Raumschiffe kommandieren können. (Christine Tragler, 22.9.2016)