Die Stadt ist nicht der schlechteste Ort, um alt zu werden – zu diesem Schluss kommt zumindest eine aktuelle Studie.

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Wien – Jedes Jahr bestätigen diverse Rankings: Die Lebensqualität in Österreich ist im internationalen Vergleich nur schwer zu schlagen. Weltweit gibt es nur eine Handvoll Länder, in denen das Leben noch angenehmer sein soll. Die statistischen Pauschalisierungen zeigen natürlich nicht die Unterschiede der Lebensqualität, die es zwischen verschiedenen Gruppen in einem Land gibt. Beispielsweise kann man sich die Frage stellen, ob die Lebensqualität in jedem Alter gleich ist. Und ist sie auf dem Land tatsächlich höher als in der Stadt?

In diese Richtung stößt eine Studie, die die Sozialforscher Anton Amann, Christian Bischof und Andreas Salmhofer im Auftrag des Sozialministeriums erstellt haben. Unter dem Titel "Intergenerationelle Lebensqualität – Diversität zwischen Stadt und Land" haben sie EU-SILCs-Daten (European Union Statistics on Income and Living) in Hinblick auf darin enthaltene Hinweise auf Lebensumstände und damit einhergehende Lebensqualität untersucht.

Früherer "Kampfbegriff"

Doch was bedeutet der Begriff eigentlich? "Die Lebensqualität war in den 1970er-Jahren noch eine Art politischer Kampfbegriff – eine Reaktion auf den damals hochgelobten Lebensstandard", schickt der Altersforscher und frühere Universitätsprofessor für Soziologie und Sozialgerontologie an der Universität Wien, Anton Amann, im Standard-Gespräch voraus. Der Begriff der Lebensqualität sollte über den oft nur in finanziellen Größen gemessenen Lebensstandard hinausgehen. Er umfasst objektive und subjektive, individuelle und gemeinschaftliche sowie materielle und nichtmaterielle Aspekte. Die subjektive Wahrnehmung der Lebensbedingungen ist ausschlaggebend. Vom ehemaligen "Kampfbegriff" blieb ein Forschungsthema, dem man sich durch eine Vielzahl von Indikatoren annähern kann.

Wie sich die Alterspyramide nach Gemeindegrößenklassen unterscheidet: Wer jung ist, wohnt in größeren Städten. Wer älter ist, eher in ländlicheren Gebieten. Schwarz hervorgehoben ist die Altersstruktur einer Gemeinde mit weniger als 1.000 Bürgern.

In den verfügbaren Daten fanden die Forscher eine Reihe von Aspekten, die für eine Einschätzung der Lebensqualität relevant sind. Neben den materiellen Bedingungen schlüsselten sie Informationen zu Wohnumfeld, Infrastruktur und Mobilität, Partizipation, Gesundheit sowie subjektivem Wohlbefinden und sozialer Unterstützung auf.

Ein allgemeines Ergebnis der Studie: "Der Grad der Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt steht in einem deutlichen Zusammenhang mit dem Alter", so Amann. "Besonders gilt das fürs höhere Alter ab 75." Das mag angesichts der gesundheitlichen Probleme, die ab diesem Alter auftauchen, wenig verwundern. Überraschender ist vielleicht die Erkenntnis, dass, wenn man die "intervenierende Variable" der Gesundheit aus der Gleichung nimmt, die Lebenszufriedenheit konstant bleibt.

Ein interessantes Detail, das auf die Selbstverständlichkeit von Krankheit im Alter hindeutet, ist laut Amann, dass ältere Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen immer noch im Allgemeinen zufriedener sind als junge Menschen mit schlechter Gesundheit.

Deutlichen Einfluss auf die Zufriedenheit im Alter hat zudem die Bildung. "Wenn man den Typus eines älteren Menschen mit hoher Zufriedenheit bilden möchte, dann wäre das jemand mit relativ guter Gesundheit und hohem Bildungsabschluss", so der Altersforscher. "Die Menschen, auf die diese Kriterien zutreffen, sind eine Minorität."

Mobilität auf dem Land

Wenn ab 75 Jahren gesundheitliche Beeinträchtigungen – und damit die Fähigkeit, alltägliche Tätigkeiten zu verrichten – als Einflussgeber für höhere oder niedrigere Zufriedenheit in den Vordergrund rücken, steigt auch die Relevanz eines ländlichen oder urbanen Umfelds. "Wenn die Beeinträchtigungen im Alltag auf schlechte Infrastrukturbedingungen treffen, sinkt die allgemeine Zufriedenheit merklich ab", erklärt der Wissenschafter. "Dabei fühlen sich Menschen im höheren Alter im Allgemeinen im ländlichen Raum im Vergleich zu städtischen Gebieten sehr wohl. Aber in dem Moment, in dem diese Probleme auftreten, kippt das." Zugespitzt gesagt: Muss man bei Nachbarn oder Verwandten um eine Fahrt zu Arzt oder Supermarkt betteln, sinkt die Lebensqualität drastisch.

Was die Sicherheit betrifft, fühlen sich dagegen Männer wie Frauen in wenig besiedelten Gebieten deutlich sicherer als in Großstädten. Frauen fühlen sich laut der Studie schneller unsicher als Männer.

Heute fühlen sich ältere Menschen im Vergleich zu vor 30 Jahren eindeutig zufriedener. Objektiv gesehen haben sie zudem bessere materielle Bedingungen, Wohnverhältnisse und Bildungsniveaus. Sie sind mobiler und gesünder. Bleiben die aktuellen Rahmenbedingungen erhalten, werde sich der Trend auch fortsetzen.

Schlechte Lebensqualität im Alter kommt meist nicht aus heiterem Himmel. "Grundsätzlich gilt: Alles, was wir im Alter erleben, bereitet sich über Jahre hinweg vor, oft schon ab der Jugend", sagt Amann. Manche Entscheidungen haben ungeahnte Folgen. "Es werden Häuser gebaut, die angesichts der tatsächlichen Bedürfnisse zu groß und nicht altersgerecht sind. Sie haben steile Stiegen, enge Türen, schmale Duschkammern." Eine bauliche Anpassung wäre aufwendig und teuer. Letzten Endes führt das dazu, dass schneller Unterstützung notwendig wird, so Amann: "In vielen Fällen werden Menschen hilfsbedürftig, nur weil Haus und Einrichtung unsinnig arrangiert sind."

Das eigene Leben gestalten

Die Menschen sollten schon früh eingeladen sein, die Umstände ihres Lebens stärker mitzugestalten. Besonders in der Wohnraumschaffung sollten die Nutzer eingebunden sein, um einen stärkeren Bezug zu ihrem Umfeld herzustellen. "Je weniger die Leute lernen, dass man gestalten kann, desto weniger werden sie auch im Alter dazu fähig sein, ihr Leben zu gestalten", erklärt Amann einen zentralen Zusammenhang. Für ein aktives und selbstbestimmtes Altern, in dem lange Zeit Mobilität erhalten bleibt, ist das eine unumgängliche Eigenschaft.

Der Altersforscher bemängelt, dass Information und Beratung beim Ausscheiden aus dem Beruf vor allem auf organisatorische Aspekte konzentriert sind. "Der Pensionsübertritt bedeutet, dass man alte Lebensorte verlassen und neue finden muss. Die alte Ordnung, die auch innere Sicherheit verleiht, hat einer neuen Ordnung zu weichen, die man erst finden muss", fasst der Altersforscher zusammen. Fazit: "Es sollte sehr viel mehr Beratung in emotionaler und psychischer Hinsicht und in Beziehungsfragen geben." (Alois Pumhösel, 25.9.2016)