Die Phasen der Zellteilung: Nicht immer verläuft dabei alles nach Plan. Aus dem Wachsen kann dann Wuchern werden.

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Wien – Der Prozess stellt gewissermaßen die Essenz des Lebens dar: Aus einer Zelle werden zwei. Kein Wachstum, keine Vermehrung ohne diesen Vorgang. Sogar der Befruchtung gehen solche Teilungen voraus. Nur so können verschmelzungsfähige Elternzellen, Gameten genannt, entstehen. Bakterien tun es ebenso wie Pantoffeltierchen, und selbstverständlich finden auch im menschlichen Körper jeden Tag unzählige Zellteilungen statt. Doch leider verläuft dabei nicht immer alles nach Plan. Wenn Steuerungsmechanismen versagen, kann aus Wachsen Wuchern werden. Tumore treten auf, mit potenziell fatalen Folgen.

In der Regel sind Veränderungen im Erbgut schuld. Schäden im genetischen Code führen zu Störungen im Zellstoffwechsel, bis hin zu unkontrollierter Teilung. Mitunter ist nur ein einziges Gen verantwortlich, aber oft sind die Probleme weitreichenderer Natur. "Die große Mehrheit der Mutationen in Krebszellen betrifft die Menge der DNA", sagt der Molekularbiologe Christopher Campbell. Meistens heißt das: Sie haben schlichtweg zu viele Chromosomen. Eine Überdosis an Erbinformation. Für Campbell, der als Molekularbiologe an den Max-F.-Perutz-Labs von Uni und Meduni Wien tätig ist, steht das Thema im Mittelpunkt seiner Forschung. Fachleute bezeichnen die fehlerhafte DNA-Ausstattung als Aneuploidie.

Auch der Chromosomenmangel fällt darunter. Er ist praktisch der Zwilling eines Überschusses, denn beide entstehen zeitgleich während der Zellteilung. Was eine der Tochterzellen zu viel bekommt, fehlt der anderen. Die korrekte Aufteilung wird im Normalfall durch einige erstaunliche Kunstgriffe der Natur gewährleistet: Zur Vorbereitung des Teilungsprozesses fertigen Enzyme zunächst von jedem DNA-Strang eine Kopie an. Original und Nachbildung bleiben in ihren Mitten über ein sogenanntes Centromer miteinander verbunden. Vorerst.

In den folgenden Stadien der Zellteilung kommt es vor allem auf Ordnung an. Es bildet sich der Spindelapparat, ein komplexes Konstrukt aus flexiblen Fasern, den Mikrotubuli, zusammengehalten von zwei Steuerungskörperchen, den Centrosomen.

Chromosomen anschieben

Dann kommt Bewegung in der Sache. Die Mikrotubuli beginnen die Chromosomen anzuschieben, ins Zentrum der Zelle. Schon bald liegen sämtliche Erbguteinheiten sauber aufgereiht entlang der Mittellinie – wie Schiffe bei einer Flottenschau. Einige Mikrotubuli haben sich derweil bei den Chromosomen angeheftet. Die Verbindung kommt an speziellen Proteinstrukturen, den Kinetochoren, zustande. Letztere spielen beim weiteren Geschehen die Hauptrolle, wie Christopher Campbell betont.

Kinetochore sind nicht bloß eine Art Steckdose für Mikrotubuli. Sie verfügen offenbar auch über einen Kontrollmechanismus für die korrekte Anbindung. Hat ein Mikrotubulus zu früh festgemacht, wird der Kontakt wieder unterbrochen. Erst wenn ein Chromosom seine angestrebte Position in der Zellmitte eingenommen hat, darf es am Centrosom mit dem Spindelapparat verbunden werden. Der Clou dahinter: Die Mikrotubuli ziehen die Chromosomenpaare in den nächsten Stufen der Zellteilung auseinander. Liegt eines davon nicht richtig zentral, landen beide Stränge, Original und Kopie, gemeinsam in einer der Tochterzellen. Und so kommt es zu Aneuploidie.

Wichtige Positionskontrolle

Die Positionskontrolle ist deshalb für eine gelungene Zellteilung von entscheidender Bedeutung. Wie aber funktioniert die Überprüfung? Wissenschafter haben diesbezüglich ein Proteingebilde mit der sperrigen Bezeichnung Chromosomaler Passagierkomplex, englisch abgekürzt CPC, identifiziert. Es besteht aus vier verschiedenen Komponenten, darunter das Enzym Aurorakinase B. "CPC korrigiert inkorrekte Verbindungen", erklärt Christopher Campbell.

Diese Funktion basiert anscheinend auf einem simplen physikalischen Prinzip. Ein mit dem Centromer eines Chromosoms verknüpfter Mikrotubulus steht nur dann unter Spannung, wenn die DNA-Einheit exakt in der Zellmitte liegt. Sonst hängt die Faser eher schlaff durch. Die Spannungsmessung wird vom CPC durchgeführt. Ist das Ergebnis nicht nach Wunsch, löst Aurorakinase B die Anbindung auf. Wie der Prozess im Detail funktioniert, ist aber noch weitgehend ungeklärt. Entgegen früheren Annahmen zum Beispiel kann Aurorakinase B ohne eine weitere CPC-Komponente, dem Survivin, wirksam werden (vgl.: Nature, Bd. 497, S. 118). Survivin bindet CPC am Centromer – genau dort, wo der Komplex Zugriff auf den Kinetochor bekommt. Womöglich kann CPC direkt am Chromosom oder an den Mikrotubuli andocken und so seine Aufgabe erfüllen.

Bäckerhefe als Modell

Christopher Campbell und seine Wiener Kollegen wollen diesem Rätsel der Zellteilung auf die Spur kommen. Die einzellige Bäckerhefe dient ihnen dabei als Modellorganismus. Das Team wird für die nächsten vier Jahre über das Start-Programm des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert. Campbell war bereits beim "Young Investigators"-Call des Wiener Wissenschaftsfonds WWTF erfolgreich.

Die Wissenschafter haben noch ein zweites Ziel im Visier. Ist eine Krebszelle erst mal entstanden, setzt eine seltsame Kettenreaktion ein. "Sie wird ihre Chromosomen immer wieder falsch aufteilen", sagt Campbell. Jede nachfolgende Zellgeneration erhält dadurch einen neuen Satz Mutationen. Diese ständigen Veränderungen erhöhen leider auch die Anpassungsfähigkeit der Tumortochterzellen und somit ihre Chancen, gegen Medikamente resistent zu werden.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie derart aneuploide Zellen überhaupt überleben können. Die Menge an überzähligem und mangelndem Genmaterial müsste eigentlich ihren Stoffwechsel vollends zum Entgleisen bringen. Wie regeln sie das, welcher noch unbekannte Mechanismus steckt dahinter? Campell und sein Team werden in den nächsten Jahren nach Antworten suchen. (Kurt de Swaaf, 14.9.2016)