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Regimetreue syrische Soldaten Anfang September auf einem von Rebellen zurückeroberten Militärkomplex bei Aleppo. In der Stadt soll nun entlang einer der wichtigsten Verkehrsrouten eine entmilitarisierte Zone geschaffen werden, um humanitäre Hilfe möglich zu machen. Das verzögert sich.

Foto: Archivbild/Reuters/Sana

Damaskus – Am Dienstag wollen sich in New York US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergei Lawrow treffen. Ob der syrische Waffenstillstand, der dann eine Woche alt wäre, bis dahin anhält, ließen russische Diplomaten am Wochenende offen. Er sehe ein großes Fragezeichen, meinte Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin. Nachdem Bombenabwürfe der internationalen Anti-IS-Koalition in Deir Ezzor am Samstag mindestens 90 Tote und etwa 120 Verletzte unter den syrischen Soldaten gefordert hatten, rief Russland den UN-Sicherheitsrat zu einer dringlichen Sitzung ein. Beschlüsse wurden nicht gefasst, auch keine Erklärung verabschiedet.

Die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power sprach von einer billigen Kraftprobe. Die USA bedauerten den unbeabsichtigten Verlust von Leben im Verlaufe der Luftschläge, die dem IS gegolten hätten. Die Koalition stellte die Bombardierung von IS-Positionen vorläufig ein. Am Sonntag eroberte die syrische Armee das Gebiet Jebel al-Thurda bei Deir Ezzor zurück, das der IS tags zuvor kurzfristig hatte überrennen können. Die Armee verlor dabei ein Flugzeug.

Die Eskalation der diplomatischen Rhetorik zwischen den USA und Russland zeigt das tiefe Misstrauen zwischen den Verhandlungspartnern, was die Umsetzung des Waffenstillstands schwierig macht. Zwar ist seit vergangenem Montag die Gewalt merklich zurückgegangen, der russische Verteidigungsminister sprach aber immer noch von 199 Verletzungen. Beide Seiten werfen einander vor, die von der jeweiligen Gegenseite unterstützten Kräfte würden die Feuerpause nützen, um sich neu zu gruppieren. In den entscheidenden Punkten des Abkommens gibt es kaum Fortschritte. Das betrifft insbesondere die Lieferung von Hilfsgütern in die belagerten Gebiete und den Austausch von Informationen über die Einflussbereiche der einzelnen bewaffneten Gruppen.

Misstrauen und Hürden

Von den USA wird verlangt, moderate Opposition und Terroristen zu trennen. Washington und Moskau sind sich aber nicht einig, welche Gruppen in die Liste der Terrororganisationen gehören. Russland verlangt zudem Listen von allen Fraktionen mit den Namen der Führungsriege, der Mitgliederzahl und Karten mit den Positionen. Die USA sehen darin eine Gefahr für die moderate Opposition. Zudem gibt es keine Einigkeit, wer das Vakuum nach dem Ausschalten der islamistischen Extremisten füllen soll. Nur wenn der Waffenstillstand eine Woche hält und die Versorgung der Zivilbevölkerung angelaufen ist, wollen die USA und Russland ihre militärischen Operationen koordinieren.

Dutzende Lastwagen mit Hilfsgütern für die notleidende Bevölkerung stecken derweil weiterhin an der türkisch-syrischen Grenze fest. Die Verantwortlichen der internationalen Organisationen sind frustriert über die politischen und logistischen Hürden: Alle Fraktionen müssten sich gleichzeitig von der Castello-Straße in Aleppo zurückziehen. Der Rückzug kommt aber nur schleppend voran. Ungelöst bleibt etwa die Frage, wer die Hilfe verteilt und die Abläufe kontrolliert. Die eingeschlossenen Menschen in den von der Opposition gehaltenen Stadtteilen von Aleppo drohten am Wochenende bei Kundgebungen, UN-Hilfslieferungen den Zugang zu verwehren, sollte es keine international abgesicherten Hilfsrouten geben, die längerfristig Bestand haben. (Astrid Frefel, 18.9.2016)