Weber, Salcher, Link und Köhler (v. li.) als die um eine Statue besorgten Bürger.

Foto: Lupi Spuma

Graz – "Wou de knia nu in di stutzn. Wou de busn in da blusn", singt man zur Saisoneröffnung zur Melodie der steirischen Landeshymne auf der Bühne des Grazer Schauspielhauses. Das Kunststeirisch, das der junge oberösterreichische Autor Thomas Arzt Protagonisten in Die Neigung des Peter Rosegger in den Mund legt, wenn sie singen, ist durchaus amüsant. Doch das kann man leider nicht vom ganzen Abend der Uraufführung des Auftragswerkes sagen.

Am Text liegt das nicht. Arzt hat ein kompaktes Stück vorgelegt, in dem der umstrittene Mythos des Heimatdichters als Schablone dient. Auf ihr werden Nationalismus, Fremdenhass, persönliche Befindlichkeiten, Komplexe und der diffuse Heimatbegriff, den so viele gefährdet sehen, mit Wortwitz verhandelt.

Nach rechts gekippt

In einer steirischen Kleinstadt weist die Statue des Peter Rosegger auf dem Hauptplatz plötzlich eine Neigung nach rechts auf. War ein Erdbeben an der slowenischen Grenze der Auslöser? Der Bauunternehmer und spendable Vorzeigebürger Wiesinger (Florian Köhler) glaubt das nicht. Und überhaupt wehrt er sich gegen jede bauliche Maßnahme, die das Kippen des Dichters verhindern könnte. Da kann der angereiste Seismologe Heim (Franz Xaver Zach) reden, was er will.

Die im Joggingkampfanzug gekleidete Angestellte Elfriede (Susanne Konstanze Weber), die um ihren Hund "Bumsti" trauert, glaubt, dass die Flüchtlinge an allem schuld sind. Nur die Bürgermeisterin (Evamaria Salcher) und der Arbeiter Matthias (Nico Link) versuchen anfangs halbwegs kühlen Kopf zu bewahren.

Arzt hat seine Figuren vielschichtig gebaut. Vor allem Florian Köhler kann aus dieser Vorlage viel machen: Er spielt den Erben eines Familienunternehmens, der immer alles richtig machen wollte, aber dem SS-Opa zu viel geglaubt hat und sein Heil in Rosegger-Romantik sucht, mit einem dezenten irren Flackern im Auge.

"Es gibt die Peter-Rosegger-Brille. Es gibt den Peter-Rosegger-Janker. Es gibt den Peter-Rosegger-Wein", verteidigt er sein Idol, als ihn Heim fragt, ob der mehrmals für den Nobelpreis nominierte Schriftsteller diesen jemals auch bekommen hat.

Wiesinger greift schließlich zum Gewehr, um "seinen" Rosegger zu verteidigen, nachdem ein Grenzzaun (Achtung Südsteiermark!), um die Statue nichts geholfen hat. Als der Seismologe warnt: "Der Mann hat eine Waffe!" und die Bürgermeisterin abwiegelt: "Wir haben hier alle Waffen.", ist man näher an der wahnwitzigen Realität, als es die Inszenierung von Nina Gühlstorff je am Kern des Textes ist. Das ist schade.

Der kritische und feine Humor des Stücktextes wird nämlich immer wieder durch die überhöht kitschige Umsetzung zugeschüttet. Auch die Kostüme von Marouscha Levy, die wirklich in den Augen schmerzen, sind völlig fehl am Platz. Die besorgten Bürger und auch die frustrierte Stadtarchivarin, mit der Henriette Blumenau eine wunderbare amouröse Gegenspielerin Wiesingers gibt, werden von Arzt mitleidslos beschrieben, aber nicht vorgeführt. Doch Regie und Kostüme machen genau das und betteln nach Lachern, die einem jedoch längst im Hals steckengeblieben sind.

Am Ende liegt der Nazi-Opa unter der Statue begraben – mit ausgestrecktem Arm. Man soll halt nicht graben in der braunen Erde der grünen Mark. Außer man hat das richtige Werkzeug dabei. (Colette M. Schmidt, 16.9.2016)