Ein Kreuzfahrthafen für Jalta und eine Brücke nach Russland: Kurz vor der Duma-Wahl hat Präsident Wladimir Putin auf der Krim noch einmal versucht, mit Zukunftsversprechen zu punkten. Die Anfang 2014 nach einem international nicht anerkannten Referendum von Russland angeschlossene Halbinsel galt dabei lange als Hochburg der Kremlpartei Einiges Russland (ER). Im Regionalparlament haben 95 der 100 Abgeordneten das ER-Parteibuch.
Ein gutes Ergebnis dort ist für den Kreml wichtig, um seine Legitimation zu demonstrieren. Doch der Besuch von Premier Dmitri Medwedew im Sommer kam nicht gut an bei den Bewohnern. Sein Spruch "Wir haben kein Geld, halten Sie durch. Alles Gute, viel Spaß, und bleiben Sie gesund" auf die Klage einer Pensionistin über gestiegene Preise wurde zum Renner im Internet.
Dabei hatte der Premier eigentlich nur die Wahrheit gesagt: Der russische Haushalt leidet stark unter der seit drei Jahren anhaltenden Wirtschaftskrise. Dass die Regierung unter den Umständen auf die fällige Rentenerhöhung verzichtet hat, ist nicht der einzige Grund für ihre Unbeliebtheit: Rubelentwertung und Inflation haben den Lebensstandard der Bevölkerung massiv gesenkt. Gleichzeitig rollt eine Welle von Korruptionsskandalen durch das Land. Wohnungspolitik, Medizin und Bildung stehen seit Jahren in der Kritik. Der verhasste Bildungsminister Dmitri Liwanow wurde im Sommer gefeuert, um die Wahl zu retten.
Regierungsimage als Problem
Die Unzufriedenheit ist trotzdem hoch: "Alles, was Medwedew anfasst, wird Mist", schimpft Tamara, eine Pensionistin aus der Kleinstadt Alexandrow, 100 Kilometer von Moskau entfernt. Ob es die Umbenennung der Miliz in Polizei, die Zeitumstellung oder die Bildungsreform betreffe: Am Ende werde alles nur noch schlechter. Wiktor, Vorarbeiter in einem Kabelwerk von Podolsk, kreidet ihm die Erweiterung der Moskauer Stadtgrenzen an: Einen praktischen Grund sieht er nicht. "Das wurde nur getan, um die Grundstückspreise hochzutreiben", sagt Viktor.
Das schlechte Image der Regierung färbte schließlich auch auf Medwedews Einiges Russland ab, dessen Rating im Sommer deutlich abfiel. Profitieren könnten davon vor allem die Kommunisten und mit Abstrichen die nationalistische LDPR. Ob die kleine Schwester von ER, Gerechtes Russland, wieder ins Parlament einzieht, ist noch unklar. Ihre Umfragewerte schwanken um die fünf Prozent. Andere Parteien, speziell die Liberalen, haben kaum Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden.
Das liegt an der harten Medienkampagne und den administrativen Barrieren, die der Kreml gegen die Opposition auffährt, aber auch an der Zerstrittenheit der Liberalen und ihrem oft fehlenden Verständnis für Probleme der Bevölkerung. Zudem sind im Zuge des scharfen Konflikts mit dem Westen eher nationalistische Kräfte en vogue.
Direktmandate möglich
Generell ist die Duma im Moskauer Politgefüge relativ ohnmächtig. Die meisten Gesetze werden in Präsidialverwaltung oder Regierung entworfen, die parlamentarische Kontrolle der Exekutive ist nur nominell vorhanden. Trotzdem wird die Wahl mit Spannung betrachtet, auch weil der Kreml nach den Protesten von 2011 die Direktmandate wiedereingeführt hat. Tatsächlich könnten so einige Oppositionelle in die Duma einziehen, auch wenn der Kreml darauf setzt, mit den Erststimmen den Anteil an Sitzen im Parlament auszubauen, um die Mehrheit doch noch zu erreichen.
Die Möglichkeiten zur Manipulation – ein Verdacht, der 2011 zu den Massendemos führte – sind diesmal begrenzt. Mit der Einsetzung der Bürgerrechtlerin Ella Pamfilowa als Wahlleiterin hat der Kreml ein Zeichen gesetzt, um Vertrauen zu gewinnen, sich damit aber auch selbst die Hände gebunden. Fälschungen bei der Auszählung wird sie nicht tolerieren.
(André Ballin aus Moskau, 18.9.2016)