Noch sind die schwarzen Boxen geschlossen. Geöffnet geben sie den Blick frei auf Begriffe, die den Österreichern wichtig sind. "Heimat" sei hierzulande oft dabei gewesen, sagt Danae Stratou.

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Die Künstlerin Danae Stratou will aufrütteln und mahnen.

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Krems – Raumrauschen. Hundert schwarze Kästchen für hundert Begriffe. Akkurat in Form eines rechteckigen Rasters angeordnet: Drei Reihen Hoffnung, zwei Reihen Angst, eine Reihe Schützenswertes. "Was möchtest du unbedingt bewahren? Wovor hast du die größte Angst?" Eingeladen von der Plattform Globart, bat die griechische Künstlerin Danae Stratou in einem Open Call die österreichische Bevölkerung, diese Fragen mit jeweils einem Wort zu beantworten.

Familie, Entscheidungsfreiheit, Selbstsicherheit, Heimat, Güte, Pressefreiheit gehören zu den positiv besetzten Wörtern. Dummheit, Gier, TTIP, Arbeitslosigkeit, Einwanderung, Einsamkeit, Ausländer und Rechtspopulismus gehören zu den Angstmachern; und, eher allgemein gehalten, Wasser, Bienen, Klimawandel, Natur sind bewahrenswert.

Eine Soundkulisse aus Herzschlägen, Explosionen, Stoppuhrklicken wabert durch die Galerieräume im Museum Krems. Für einige Sekunden poppen in den geöffneten, mit lichtdurchlässigen Spiegeln bedeckten Boxen die Begriffe auf. Verschwinden wieder. Stattdessen blinken rote Ziffern: Wärmegrade beispielsweise in der Klimawandelbox. Meist Minuten und Sekunden, von hundert abwärts. Die Zeit vergeht schnell, der Countdown läuft unerbittlich – wenn wir nichts gegen Klimaerwärmung, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, Krieg machen.

It's time to open the black boxes nennt Stratou ihre Multimedia-Installation. Die Assoziation mit den Blackboxes, die nach Flugzeugabstürzen über deren Ursache Auskunft geben, ist gewollt: "Wir sollten diese Blackboxes nicht erst öffnen, wenn schon etwas passiert ist, sondern rechtzeitig, um gesellschaftliche und politische Kurskorrekturen noch vor der Katastrophe vornehmen zu können."

Bereits 2012, als Griechenland schnurstracks in die Wirtschaftskrise schlitterte, hatte sie ein Blackbox-Projekt in Athen realisiert. Unterschiede zwischen dort und da, damals und heute? Die Griechen hätten engagierter reagiert, die Österreicher nur sehr zögerlich. "In Griechenland wurde der Begriff 'Heimat' nie genannt, hier sehr oft. In Griechenland gab es dafür viel mehr direkte Reaktionen auf die Wirtschaftskrise, man merkt, dass es den Österreichern im Vergleich sehr gut geht."

Politik und Kunst

Zur Eröffnung in Krems sprach Stratous Mann Yanis Varoufakis, der als Griechenlands Kürzestfinanzminister 2015 die europäische Politik gehörig aufmischte. Auch das menschliche Hirn sei eine Blackbox, man sehe im besten Fall den In- und Output, aber man wisse nicht, was im Kopf des anderen vorgehe. "Das gilt auch für gesellschaftliche Vorgänge. Denken Sie an eine Regierung oder eine Corporation oder eine Bank als Blackbox: Es gibt In- und Output, aber niemandem ist so wirklich klar, wie das funktioniert. Auch nicht der Regierungschef oder der Bankdirektor weiß es. Das war übrigens auch der Grund für die Bankenkrise. Wenn diese Superblackboxes unser Leben bestimmen, werden sie zu einem machtvollen, undurchblickbaren Netzwerk."

Politik und Kunst, das ist das gemeinsame Ding des Ehepaars Varoufakis/Stratou. Das gilt für das von Varoufakis gegründete Democracy in Europe Movement 2025 (DiEM) ebenso wie für die von den beiden im Jahr 2012 ins Leben gerufene Internetkunstplattform Vital Space.

Dort soll das Blackboxprojekt auf einer internationalen Ebene stattfinden, Stratou möchte Menschen auf der ganzen Welt befragen und aus den gesammelten Daten eine Weltkarte der Hoffnungen und Ängste erstellen. (Andrea Schurian, 17.9.2016)