Graz – "Die Kinder sind wieder in Sicherheit, sie sind zu Hause, ich war sie gerade besuchen", erzählt ein erleichterter Norbert Johne vom Verein "Kumberg – wir wollen teilen" dem STANDARD am Freitagvormittag. Der neunjährige Alan und seine achtjährige Schwester Ayenne waren am Donnerstag durch ein Fenster ihrer Wohnung im Erdgeschoß geflohen, nachdem die Polizei um 6.30 morgens an die Tür geklopft hatte. Die Familie aus dem Irak sollte nach Kroatien, wo sie nach ihrer Fluch zuerst registriert worden war, zurückgeschoben werden. Sie hatten vor zehn Tagen einen negativen Bescheid bekommen, waren aber von der Abholung komplett überrascht worden.

Alan und Ayenne sind seit zehn Monaten in Kumberg. Sie haben, wie Johne betont, "sehr gut Deutsch gelernt". Die Gemeinde organisierte mit Freiwilligen täglich Deutschkurse für Kinder und Erwachsene. "Die sind so super integriert, dass nicht einmal Norbert Hofer etwas gegen sie haben könnte", sagt Johne. "Beide Kinder spielen im Fußballverein, auch die Eltern sind im Ort sehr beliebt. Sie leben einfach mit uns mit."

Mit Hubschrauber auf Kindersuche

Als die Polizei am Donnerstag mit Hubschraubern nach den abgängigen Kindern, die in ihrer Heimat ohnehin bereits traumatisiert wurden, suchte, war die Entrüstung in Kumberg groß. Man organisierte via Facebook spontan einen Flashmob, an dem am Abend mindestens 300 Menschen teilnahmen – DER STANDARD berichtete. Auch Franz Gruber, ÖVP-Bürgermeister der 3800-Seelen Gemeinde, die engagiert 34 Flüchtlinge betreut, war auf dem vollbesetzten Marktplatz dabei und setzte sich für den Verbleib der Familie ein. "Alan und Ayenne sollen bei uns bleiben", hatten Kinder auf ein Transparent am Marktplatz geschrieben und lachende Herzen dazugezeichnet.

Die Mutter der beiden Kinder muss seit Freitag medizinisch betreut werden, weswegen eine Rückschiebung derzeit nicht durchgeführt werden kann. Doch das reicht den engagierten Kumbergern nicht: Eine Petition an das Innenministerium und die Bundesregierung, in der gefordert wird, die Dublin-III-Verordnung in diesem Fall auszusetzen, wurde am Freitag aufgesetzt.

Petition und offener Brief

Die Regierung müsste dafür von der Möglichkeit des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch machen, um das Asylverfahren der Familie H. in Österreich abwickeln zu können.

Eine Bürgerin richtete gleich am Donnerstag einen offenen Brief an Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP), in dem sie den Politiker auffordert, in die Volksschule nach Kumberg zu kommen und den Kindern selbst zu erklären, "dass das Gesetz nicht menschlich ist".

"Hier im Ort stehen mindestens 80 Prozent der Einwohner hinter uns", sagt Johne zuversichtlich, "hier hat Integration, wie man sie immer fordert, gut funktioniert." Schulfreunde kamen am Freitag zum Haus der Familie und schmückten es mit Solidaritätsplakaten.

"Engagiert" hatten sich am Abend zuvor wohl auch andere Personen in Kumberg. Ein Transparent, das völlig aus dem Rahmen fiel, tauchte auch auf. "'Stoppt den Asylwahnsinn', ist da draufgestanden", erzählt Norbert Johne, "und ganz klein der Name der Identitären, aber die waren sicher aus Graz, die kennt bei uns keiner, wir haben das gleich entsorgt." (Colette M. Schmidt, 16. 9. 2016)