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Apart gemustert: So stellt sich Paleoartist Julius T. Csotonyi einen Regaliceratops vor.

Foto: Illustration: Reuters / Julius T. Csotonyi

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Auch nicht gerade eine unauffällige Erscheinung: Xiaotingia zhengi. Das Blau ist Spekulation, der "Fransenlook" nicht.

Foto: Nature, Xing Lida and Liu Yi/AP/dapd

Deutlich dezenter eingefärbt: Psittacosaurus wurde in der jüngsten Rekonstruktion zu einer Art kreidezeitlichem Reh – was durchaus zu seinem Lebensstil gepasst hätte.

Illustration: Jakob Vinther und Bob Nicholls
So wird das Aussehen eines Dinosauriers rekonstruiert.
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Bristol/Wien – "Grau, aber nicht so grau – mehr grüngrau, ins Bräunliche. Eine Art Braungrau mit Grün, ein Braungrüngrau ...": Die Worte, mit denen der Humorist Loriot einst in "Ödipussi" die Tristesse einer eingefahrenen Ehe auf den Punkt brachte, beschreiben zugleich die eingeschränkte Farbpalette, die den Illustratoren von Dinosaurierbüchern über Jahrzehnte hinweg aufgezwungen wurde – entsprechend dem Forschungsstand.

Seit in den 1990er-Jahren vor allem in China immer mehr Dino-Fossilien mit Resten von Federn gefunden wurden, hat sich unser Bild dieser Urzeittiere aber in jeder Beziehung gewandelt. Wer mit der klassischen braungrüngrauen Optik aufgewachsen ist, mag ein bisschen schockiert über die Technicolor-Dragqueens sein, zu denen renommierte "Paleoartists" von heute wie Luis Rey oder Julius T. Csotonyi Dinosaurier stylen. Ob Zebrastreifen oder Netzmuster, Tüpfel und Schabracken in allen Farben des Regenbogens, dazu noch Kämme, Kehlsäcke und Schmuckfedern: Es wirkt wie ein kreidezeitlicher Karneval.

Spekulationen und Fakten

Das Allermeiste davon ist rein spekulativ – wenn auch nicht spekulativer als das triste Grau – und zeigt vor allem, wie beim Wechsel menschlicher Moden gerne ein Extrem das andere ablöst. Doch wie bunt waren die Dinosaurier nun wirklich? Hier ist die Forschung zwar noch nicht so weit, "farbechte" Rekonstruktionen zu ermöglichen. Aber einige Grundaussagen lassen sich mittlerweile tatsächlich treffen.

Das wichtigste Indiz sind sogenannte Melanosomen, Zellorganellen, die Pigmente enthalten, welche die Farbe von Haut, Haaren und Federn bewirken. Aus einer ungleichen Pigmentverteilung lässt sich auf ein Hell-Dunkel-Muster schließen. Zudem ist die Form aufschlussreich: So steckt das Pigment Phäomelanin, das eine rötliche Färbung auslöst, in kugelähnlichen Melanosomen, Schwarz hervorrufendes Eumelanin hingegen in wurstförmigen.

Vorausgesetzt, es lassen sich überhaupt Gewebereste von Dinosauriern mit Melanosomen finden, wird es zur Herausforderung für die Mikroskopie, die winzigen Organellen von versteinerten Bakterien oder anderen Verunreinigungen zu unterscheiden. 2010 erschien in "Nature" eine Studie chinesischer und britischer Forscher, die diesbezüglich einen Erfolg vermelden konnte. Die Forscher hatten Melanosomen bei verschiedenen gefiederten Dinosauriern identifiziert. Seitdem weiß man etwa, dass der winzige Sinosauropteryx einen Schwanz hatte, der wie eine rotbraun-weiße Ringelsocke gemustert war.

Fossil eines Psittacosaurus aus dem Frankfurter Senckenberg-Museum. In der versteinerten Haut dieses Exemplars konnten Forscher Melanosomen identifizieren, die Rückschlüsse auf seine Färbung ermöglichen.
Foto: Jakob Vinther und Robert Nicholls

An der damaligen Analyse war auch die Universität Bristol beteiligt, die nun im Fachmagazin "Current Biology" eine weitere Studie nachlegt. In deren Mittelpunkt steht ein Dino, der kein naher Verwandter der Vögel war, auch wenn er am Schwanz lange federähnliche Borsten und jenen "Papageienschnabel" hatte, dem er seinen lateinischen Namen verdankt: Psittacosaurus lebte vor etwa 120 bis 100 Millionen Jahren in Asien, wurde inklusive Schwanz an die zwei Meter lang und war ein Pflanzenfresser.

Diesen Steckbrief können die Bristoler Forscher um Jakob Vinther nun um die Information ergänzen, dass die Haut des Psittacosaurus ein Muster aufwies, das man aus der heutigen Tierwelt sehr gut kennt: dunkler Rücken und heller Bauch. Diese sogenannte Konterschattierung ist eine einfache Form der Tarnung. Sie verwischt die Helligkeitsunterschiede zwischen den sonnenbeschienenen Körperteilen und denen, die im Schatten liegen. Raubtiere mit guter räumlicher Wahrnehmung, die den Körper eines Beutetiers durch den Schattenverlauf identifizieren, werden so ein Stück weit ausgetrickst.

Nie ohne evolutionären Sinn

Zusammen mit Bob Nicholls, einem weiteren vielbeschäftigten Paleoartist, versetzten die Forscher anschließend ihren rekonstruierten Psittacosaurus in simulierte Umgebungen mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Ergebnis: Das Ausmaß der Konterschattierung hätte für sonnendurchflutete Savannen nicht ausgereicht. Das untersuchte Exemplar dürfte also eher in einem dichten Wald mit diffusem Licht gelebt haben. Dass nicht nur der Rücken, sondern auch die Brustpartie dunkler war als der Bauch, bestätigt zudem die Vermutung, dass Psittacosaurus halb aufgerichtet auf zwei Beinen lief.

Grellbunte Dinosaurierbilder, wie sie derzeit en vogue sind, mögen ihre Berechtigung haben. Die aktuelle Studie erinnert aber wieder daran, dass Farbgebung im Tierreich nicht auf Spaß an der Freud, sondern stets auf handfesten Gründen beruht, kurz: auf Überlebensvorteilen. Die ausgestorbenen Dinos ähnelten heutigen Vögeln stärker, als man noch vor 30 Jahren gedacht hätte. Aber es ist auch nicht jeder Vogel ein Paradiesvogel – und Loriots "freundliches Steingrau" wäre zur Tarnung sicher nicht die schlechteste Option gewesen. (Jürgen Doppler, 16.9.2016)

Endergebnis der Rekonstruktion: So in etwa hätte sich Psittacosaurus einem kreidezeitlichen Beobachter präsentiert.
Foto: Jakob Vinther/University of Bristol und Bob Nicholls