Eine strahlende Zukunft verspricht sich Großbritannien durch den Bau des 21 Milliarden Euro teuren Projekts in Hinkley Point.

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Die britische Regierung unter Premierministerin Theresa May gibt endgültig grünes Licht für den Bau neuer Atomkraftwerke (AKWs) durch chinesische Firmen. Energieminister Greg Clark beendete am Donnerstag im Londoner Unterhaus eine zweimonatige Überprüfung des prinzipiell längst verabschiedeten Reaktorbaus in Hinkley Point. Das Projekt werde "neuen Garantien" unterliegen, mit denen die nationale Energiesicherheit gewährleistet sei. Zudem wollen die Konservativen ein neues Gesetz verabschieden, mit dem die Regierung in allen ähnlichen privaten Bauvorhaben eine Art Vetorecht erhält. Man erlebe "die Wiedergeburt der Atomkraft in Europa", sagte Jean-Bernard Lévy vom Konsortialführer EDF.

Briten überwiegend dafür

Anders als die Bevölkerung vieler kontinentaleuropäischer Länder befürworten die Briten die Atomkraft mit Mehrheiten von rund zwei Dritteln. Daran hat auch das Unglück von Fukushima nichts geändert. Den Bau neuer Reaktoren propagierte schon vor zehn Jahren der damalige Labour-Premier Tony Blair, die konservativ-liberale Koalition unter Premier David Cameron trieb das Programm voran. Der letzte liberale Energieminister Edward Davey begrüßte in der BBC die Änderungen: May habe Einwände aufgenommen, die der Vorgänger noch beiseitegewischt habe. Hingegen sprach die Labour-Opposition von "Augenwischerei".

Die Briten suchen seit Jahren verzweifelt nach Investoren für ihre geplante Atomrenaissance. Im eigenen Land gibt es weder die nötige wissenschaftliche Expertise noch Firmen mit ausreichend Know-how und Kapitalkraft. Das ursprünglich ehrgeizige Neubauprogramm durch den französischen Energiegiganten EDF mit zwölf neuen Meilern an sieben bereits bestehenden Standorten ist mittlerweile auf nur noch zwei neue Meiler mit je 1650 Megawatt Leistung geschrumpft.

Für den geplanten hochsubventionierten Reaktorbau Hinkley Point waren zunächst auch die deutschen Firmen RWE und Eon im Gespräch. Am Ende blieb EDF als Bauherr übrig. Um Skeptiker im eigenen Unternehmen zu überzeugen, holten die Franzosen den chinesischen Staatskonzern CGN mit einem Drittel Beteiligung ins Boot.

21 Milliarden Euro Kosten

Die Kosten werden derzeit auf 18 Milliarden Pfund (21 Mrd. Euro) veranschlagt. Durch die Stellung als Quasimonopolist konnte das Konsortium der Regierung weitgehende Zugeständnisse abringen. Neben staatlichen Kreditgarantien für den Bau bekommt EDF als Betreiber einen festgesetzten Abnahmepreis für die Dauer von 35 Jahren. Dieser liegt etwa doppelt so hoch wie der derzeitige Strompreis auf der Insel.

Für die chinesische Firma CGN stellt die Beteiligung an Hinkley Point vor allem eine Visitenkarte für den Bau eines eigenen Reaktors in Brightwell (Grafschaft Essex) dar. Der Staatskonzern ließ keinen Zweifel an seinem Interesse: Man könne nach der Entscheidung nun an beiden Standorten voranschreiten. Weit gediehen sind offenbar auch Pläne der südkoreanischen Staatsfirma Kepco, sich am Bau eines neuen Reaktors in Moorside (Grafschaft Cumbria) zu beteiligen.

Im Fokus der AKW-Gegner

Hinkley Point ist seit Jahren der Fokus von AKW-Gegnern im In- und Ausland. Die Region Somerset habe "ein riesiges Potenzial für erneuerbare Energien. Hingegen ist Nuklearenergie gefährlich und teuer", sagt die grüne Europa-Abgeordnete Molly Scott Cato. Bei EU-Partnern sorgen vor allem die hohen staatlichen Subventionen für Kritik, Österreich reichte sogar eine Klage beim Europäischen Gerichtshof ein, die durch den Brexit hinfällig werden dürfte.

Wie bisher bleibt die verlässliche Entsorgung des Nuklearabfalls ungeklärt. In der Wiederaufarbeitungsanlage von Sellafield (Grafschaft Cumbria) an der Irischen See befinden sich seit Jahrzehnten große Mengen von Atommüll in der vermeintlichen Zwischenlagerung; erst kürzlich sprach eine BBC-Dokumentation von erheblichen Sicherheitsmängeln und schlampiger Aufbewahrung.(Sebastian Borger aus London, 16.9.2016)