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Der Bondmarkt steht kopf: Mit dem Waschmittelproduzenten Henkel hat erstmals ein Unternehmen eine Anleihe mit negativer Rendite begeben. Die EZB-Wertpapierkäufe machen es möglich.

Foto: dpa / Philipp Strobel

Wien – Geld kostet nichts. Diese angenehme Erfahrung machen derzeit Betriebe, die sich über Anleihen finanzieren. Seit immer mehr Staatsanleihen in den negativen Bereich gedriftet sind, greifen Anleger gerne bei den deutlich besser verzinsten Unternehmensbonds zu. Für zusätzliche Nachfrage sorgt die Europäische Zentralbank, die im großen Stil sogenannte Corporate Bonds aufkauft. Die Folge: Auch die Schuldverschreibungen von Unternehmen tendieren bei guter Bonität zusehends gegen null.

Nicht wenige der Unternehmensanleihen mit kürzeren Laufzeiten notieren sogar im roten Bereich. Nun gibt es eine Novität am verrückten Markt: Mit Henkel und Sanofi wurden erstmals Bonds mit negativen Renditen ausgegeben. Die Überlegung der Investoren, den Konzernen Geld zu schenken: Der Verlust ist immer noch deutlich geringer als bei sicheren Staatsanleihen, erklärt Thomas Neuhold von der Gutman Kapitalanlagegesellschaft. Auch die Strafzinsen, die bei der Deponierung von Mitteln bei der EZB verrechnet werden, schlagen sich nieder.

Zurückhaltung in Österreich

Auch bei österreichischen Anleihen wurden zuletzt Negativrenditen im Sekundärmarkt – also im Handel, nicht bei der Emission – beobachtet. Telekom Austria und OMV zählen dazu. Dennoch halten sich die Aktivitäten heimischer Betriebe am Kapitalmarkt in Grenzen. Lediglich Novomatic hat heuer einen größeren Bond mit einem Volumen von 500 Millionen Euro begeben. Die Wiener Börse verzeichnete heuer lediglich ein Emissionsvolumen von 1,9 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: In Europa gingen bis Ende August Unternehmensanleihen (ohne Banken) im Wert von 200 Mrd. Euro über den Ladentisch. Damit liege man ungefähr auf dem Niveau des sehr guten Vorjahres, erklärt Georg Nitzlader, bei Raiffeisen Capital Management für den Bereich zuständig. Wenn keine Unsicherheiten auftreten sollten, könnte die Rekordmarke aus dem Jahr 2009 fallen. Damals wurden Bonds im Volumen von 252 Milliarden Euro begeben.

Ausreichende Barreserven

Dass angesichts der Niedrigzinsen nicht noch mehr emittiert wird, liegt daran, dass die meisten Konzerne schlicht kein Geld benötigten. Sie sitzen einerseits auf ausreichenden Barreserven und haben andererseits wenig Lust zu investieren.

An der Wiener Börse sieht man noch Potenzial für einen Ausbau der Kapitalmarktfinanzierung, die man sich nicht schlechtreden lässt. Zwar seien die Volumina nicht rasend hoch, allerdings griffen zusehends kleinere Betriebe bei Anleihen zu. So wurden im Vorjahr immerhin 137 Bonds mit Österreich-Bezug begeben.

Hohe Fixkosten

Allerdings gelten die Fixkosten bei kleineren Emissionen als hoch, auch der Aufwand bei der Dokumentation ist erheblich. Und: Auch wenn ein Rating nicht verpflichtend ist, wird eine Einstufung der Bonität von dritter Seite doch gern gesehen. Die Wiener Börse versucht die mäßige Liquidität durch Market Maker zu kompensieren, die sich zum täglichen Ankauf von Bonds verpflichten.

Apropos Rating: Obwohl die EZB nur sichere Anleihen kauft, sinken auch die Zinsen von riskanteren Betrieben. Wer an die Notenbank verkauft, muss das Geld ja wieder investieren. (Andreas Schnauder, 16.9.2016)