Wien – ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz nannte sein neues Direktorium am Donnerstag nach der Bestellung durch den ORF-Stiftungsrat ein "Team der absoluten Kompetenz". Es sei nicht um "Wunscherfüllung" in Richtung politischer Parteien gegangen. Zugleich sei es gelungen, den Frauenanteil zu erhöhen. "Zum ersten Mal steht es in der Geschäftsführung 50 zu 50", so der ORF-General.

"Ich habe gezeigt, dass es möglich ist, ein Team der absoluten Kompetenz aufzustellen, für das es auch noch eine breite Mehrheit gibt." Dass es im Vorfeld der Wahl der Direktoren ein zähes Ringen um Personalpakete gab und die ÖVP dabei zu hoch gepokert habe, dementierte Wrabetz. "Mit mir hat niemand gepokert. Ich weiß nicht, ob sonst irgendwo Pokerspiele stattgefunden haben." Er habe im übrigen schon im August erklärt, bei der Auswahl der Direktoren frei entscheiden zu wollen. Den neuen Finanzdirektor Andreas Nadler nannte Wrabetz "kompetent, sachorientiert und parteipolitisch nicht zuordenbar".

Maßnahmen auf der Kostenseite

Dass der ÖVP-"Freundeskreis" sich nun nach dem Platzen einer Einigung auf ein gemeinsames Personalpaket mit der SPÖ bei einer Erhöhung der ORF-Gebühren querlegen könnte, wollte Wrabetz nicht kommentieren. Auch zu einer möglichen Valorisierung der Programmentgelte wollte der ORF-Chef nichts sagen. Nur so viel: "Wir werden unabhängig von der Gebührenfrage weiter auf der Kostenseite Maßnahmen treffen." Jetzt gelte es die mittelfristige Finanzvorschau zu überarbeiten. Auch die neue Organisationsstruktur mit den Channel Managern sei zu entwickeln. Ein entsprechendes Konzept sowie eine Geschäftsordnung für die neue Geschäftsführung will Wrabetz noch heuer dem Stiftungsrat vorlegen.

Zach: Reformen vor Gebührenerhöhung

Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreis", hatte am Donnerstag gegen das Zentraldirektorium gestimmt und somit auch keine Vorschusslorbeeren im Gepäck. Der ORF brauche "Reformen", und diese müssten vorgelegt werden, bevor man über einen Antrag auf Gebührenerhöhung reden könne, bekräftigte er nach der Sitzung gegenüber Journalisten. Und zwar zuvorderst, um Geld fürs Programm und entsprechende Innovationen freizumachen. "Nur auf das Füllhorn aus den Taschen der Gebührenzahler zu hoffen, ist zu wenig." Das von Wrabetz vorgeschlagene Team war ebenso wie die geplante Struktur aber "aus meiner Sicht kein Garant dafür – daher konnte ich seinem Vorschlag nicht zustimmen."

Parteipolitischen Einfluss stellte Zach auf Nachfrage in Abrede. Für den Direktoriumsvorschlag sei ja der Generaldirektor verantwortlich gewesen. Die Darstellung, dass sich am Küniglberg am Donnerstag quasi ein wahlkampfgetriebener Stellvertreterkrieg der Regierungsparteien abgespielt hat, hält Zach für überzogen. Allen, die anlässlich der heutigen Personalentscheidungen im ORF bereits wieder über Neuwahlen im Bund spekulieren, riet er zu einer "Abrüstung der Worte".

Haselsteiner verließ Sitzung vorzeitig

Für Aufsehen sorgte NEOS-Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner. Er verließ die Stiftungsratssitzung noch vor der Abstimmung über die Landesdirektoren. Haselsteiner übte laut Sitzungsteilnehmern heftige Kritik an der politisch geforderten Ablöse des Salzburger Landesdirektors Roland Brunhofer. Brunhofer musste auf Wunsch des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer (ÖVP) seinen Sessel für Christoph Takacs räumen. Haselsteiner zog vom Küniglberg, ohne seine Stimme zu delegieren. Im Parlament wollen die NEOS die politischen Absprachen rund um den ORF in der kommenden Woche zum Thema einer Aktuellen Stunde machen.

ORF-Chef Wrabetz erklärte nach der Sitzung zum Thema Brunhofer, dass er diesen in Wien brauche. "Er hat hervorragende Arbeit als Landesdirektor geleistet, daher wird es für ihn einen weiteren wichtigen Entwicklungsschritt geben." Zum künftigen Aufgabengebiet Brunhofers wollte der Generaldirektor nichts verraten. Brunhofer war zuletzt als Channel Manager für ORF 2 im Gespräch. Gegen den Landesdirektor gibt es aber heftigen Widerstand führender Redakteure der TV-Information. Hintergrund: Der Landesdirektor soll bei früherer Gelegenheit intern angedeutet haben, dass der Information eine prononciertere und schlagkräftigere Führung gut tun würde. (APA, 15.9.2016)