Die Kanzlerin Angela Merkel beim Wahlkämpfen in Berlin. Neben ihr der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel.

Foto: APA/dpa/Michael Kappeler

Manchmal sind Störer gar nicht so störend. Als Frank Henkel (CDU), Berliner Innensenator und Spitzenkandidat, im eher ruhigen Stadtteil Zehlendorf die Bühne erklimmt, ertönt ein lautes Pfeifkonzert. Nicht nur CDU-Anhänger haben sich versammelt, auch 30 junge Leute, die hier ordentlich Krawall machen wollen.

"Hau ab! Hau ab!", brüllen sie, doch Henkel lässt sich nicht beirren. Im Gegenteil, er nutzt die "Schreihälse und Krakeeler" gleich für seinen Wahlkampf. "Da seht ihr, was euch erwartet, wenn der linke und der rechte Pöbel zu stark werden", ruft er von der Bühne. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel muss wenig später ziemlich laut reden, baut den Chor der Empörten, der nun "Merkel muss weg! Merkel muss weg!" skandiert, gleich in ihre Wahlempfehlung für die Berliner Landtagswahlen am Sonntag ein.

"Die mit den schmissigsten Parolen lösen keine Probleme. Dafür braucht es eine starke bürgerliche Mitte", sagt sie und bittet darum, Henkel zu wählen. Der kann in der Tat jede Wahlempfehlung brauchen. Seit fünf Jahren ist die CDU Juniorpartnerin der SPD, und Henkel würde die Rollen gerne tauschen: Er wird Bürgermeister, die SPD macht den Junior.

Platz eins für die SPD

Aber daraus wird wieder einmal nichts werden. Seiner CDU drohen, genau wie der SPD von Bürgermeister Michael Müller, massive Stimmenverluste. Umfragen sagen voraus, dass es nicht einmal mehr für eine Neuauflage der großen Koalition reichen wird. Henkel dürfte damit in der Opposition landen – fraglich ist nur, an welcher Stelle.

Müller, da sind sich die Demoskopen einig, schafft vermutlich mit rund 24 Prozent wieder Platz eins. Es ist seine erste Wahl als Bürgermeister. Der 51-Jährige (Interview unten) hat im Dezember 2014 Klaus Wowereit abgelöst, als dessen Werte wegen der Blamage beim immer noch nicht eröffneten Flughafen BER so dramatisch sanken, dass er die SPD nach unten mitriss. Der jetzige "Regierende", wie die Berliner ihren Bürgermeister nennen, ist das genaue Gegenteil von "Wowi": unauffällig, ruhig, manchmal nahezu unsichtbar.

Im Wahlkampf hat er nebst dem Wohnungsbau vor allem ein Thema: Er warnt unablässig davor, die Alternative für Deutschland (AfD) zu wählen, weil Berlin eine tolerante und weltoffene Stadt bleiben müsse. "Machen Sie keine Experimente, um dem Müller oder dem Henkel mal einen Denkzettel zu geben", mahnt er bei einem Auftritt vor Marktbesuchern am Prenzlauer Berg.

Islam und Terrorismus

Genau darauf hofft natürlich AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski, ein ehemaliger Bundeswehr-Offizier. In Umfragen liegt die AfD bei 13 bis 15 Prozent, Pazderski jedoch rechnet sich Chancen auf Platz zwei aus. In Mecklenburg-Vorpommern hat dies ja am 4. September geklappt. "Wer mir sagt, da gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Islam und Terrorismus, der verschließt die Augen", sagt Pazderski.

Der Einzug der AfD ins Abgeordnetenhaus wird wohl für das Ende der großen Koalition in der deutschen Hauptstadt sorgen – zumal dort auch Grüne und Linke nicht zu den schwächsten Parteien gehören. Sie liegen in Umfragen zwischen 15 und 17 Prozent.

Dass es für eine Neuauflage der großen Koalition nicht mehr reichen dürfte, stört Bürgermeister Müller nicht grundsätzlich. Er will dieses Bündnis ohnehin nicht mehr, man könne mit der CDU einfach keine "moderne Großstadtpolitik machen", klagt er.

Gerne würde er mit den Grünen regieren. Da es für dieses Bündnis aber nicht reichen wird, müsste Müller die Linken mit ins Boot holen. Apropos Boot: Eines ist ziemlich sicher: Die Piraten werden nach der Wahl nicht mehr an Bord sein. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.9.2016)