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Sport klingt als Freizeitbeschäftigung für Kinder sehr vernünftig: Statt den ganzen Nachmittag vor dem Bildschirm zu sitzen oder ungesundes Essen in sich hineinzuschaufeln, ist es doch besser, wenn die Sprösslinge die Zeit körperlich aktiv im Sportverein verbringen. So bleiben sie gesund und werden zu Teamplayern, hoffen Eltern.

Die Realität kann jedoch anders aussehen, warnt Werner Bartens, Mediziner und Wissenschaftsredakteur bei der "Süddeutschen Zeitung", in seinem vor kurzem erschienenen Buch "Verletzt, verkorkst, verheizt. Wie Sportvereine und Trainer unsere Kinder kaputt machen". Unwissende Jugendtrainer und ehrgeizige Eltern würden den Sport für Kinder zur Gefahr machen – etwa wenn sie dazu motivieren, über den Schmerz hinaus oder bei Krankheit zu trainieren.

Klappmesser und Liegestütz

Die Gefahren sind vielfältig: So manche Übungen, die zum Aufwärmen in Fußball- und Turnvereinen seit Jahrzehnten gemacht werden, sind, so der Autor, im besten Fall wirkungslos. Das Klappmesser kann zu Muskelzerrungen führen. Sit-ups werden oft falsch ausgeführt – und können im schlimmsten Fall ein Hohlkreuz verursachen.

Auch Liegestütze, die im Vereinssport oft als disziplinierende Maßnahme verordnet werden, können Gelenke falsch belasten. Von unbeaufsichtigtem Krafttraining für Jugendliche rät Bartens aufgrund der Verletzungsgefahr gleich ganz ab – so wie auch von Spezialdiäten und Vitaminpräparaten, die auch für Kinder eine immer größere Rolle spielen.

Die Folgen von so viel Sportlichkeit können beispielsweise schwere Gelenksprobleme sein, die aber erst ab dem 30. oder 40. Lebensjahr auftauchen, warnt Bartens: "Manche der früh erworbenen Verletzungen heilen nie aus, die Schäden an Knie, Knöchel, Hüfte oder Rücken bleiben ein Leben lang."

Foul als Kavaliersdelikt

Die Gründe für die Missstände: Ein Großteil der Trainer, so Bartens, sind Freiwillige, die zwar ihre Freizeit opfern, aber oft mit vollkommen veralteten Trainingskonzepte arbeiten. Auch übertrieben ehrgeizige Eltern, die ihre Kinder bei schlechter Leistung beschimpfend am Spielfeldrand stehen, seien eine Gesundheitsgefahr.

Nicht zuletzt ortet Bartens aber auch bei Medien und Gesellschaft eine Mitverantwortung: Wenn ein Foul beim Fußballspiel als Kavaliersdelikt gewertet wird oder Sportler als Helden gefeiert werden, wenn sie trotz Verletzung oder Krankheit fitgespritzt aufs Spielfeld humpeln, ist das ein falsches Vorbild. In einem solchen Umfeld bleiben Fairplay und Teamgeist schon bei den ganz Kleinen auf der Strecke, warnt Bartens. Das ist also genau das Gegenteil von dem, was sich Eltern vom Mannschaftssport ihrer Kinder erhoffen.

Gesundes Maß

Auch wenn viele Aspekte von Freizeit- und Profisport kritisiert werden: Sport wird von Bartens nicht verteufelt. Ganz im Gegenteil: "Ich liebe Sport und finde ihn großartig!" ist gleich der erste Satz des Vorworts. Das Buch liefert zahlreiche Vorschläge dafür, welche Trainingsformen für Kinder welchen Alters geeignet sind. Das Plädoyer des Autors: ein entspannter Zugang zum Sport – ganz ohne Leistungsdruck. Denn Bewegung ist gesund – allerdings nur in einem gesunden Ausmaß: Das macht die Lektüre übrigens nicht nur für Eltern und Trainer hilfreich, sondern auch für jeden anderen Hobbysportler. (Franziska Zoidl, 26.9.2016)