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Wenn die Wahl im Dezember ähnlich knapp wird wie diejenige im Mai, könnte sie aufgrund von nicht gewerteten Wahlkartenstimmen entschieden werden.

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Wahlkarten erfreuen sich seit ihrer Einführung vor knapp zehn Jahren steigender Beliebtheit. Beim zweiten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl im Mai gab etwa einer von sechs Wählern auf diese Art seine Stimme ab. Von vergangenen Wahlen wissen wir auch, dass sich Wahlkartenwähler systematisch von Urnenwählern unterscheiden. Sie tendieren stärker zu den Grünen und zur ÖVP und sind eher in Städten zu Hause.

Wie die erste Grafik zeigt, war demgemäß auch der Anteil an Briefwahlstimmen in Wien höher als in allen Bundesländern. Knapp ein Viertel aller abgegebenen Stimmen in der Bundeshauptstadt war per Wahlkarte eingelangt. Auch innerhalb der anderen Bundesländer gilt dieses Muster: In Graz wählten 22 Prozent per Wahlkarte, in Linz waren es 21 und in Innsbruck 19 Prozent.

Wie fehleranfällig ist jedoch das Wählen mit Wahlkarte? Die zweite Grafik zeigt den Anteil an ungültigen Stimmen pro Bezirk bei der Stichwahl im Mai, aufgeschlüsselt nach Urnen- und Wahlkartenstimmen. Natürlich muss man davon ausgehen, dass ein guter Teil aller ungültigen Stimmen bewusst ungültig abgegeben wird. Gerade bei der Stichwahl zwischen einem FPÖ-Bewerber und einem von den Grünen unterstützten Kandidaten ist es plausibel, dass sich einige Leute fürs Weißwählen entscheiden. Die zweite Grafik zeigt, dass der Anteil ungültiger Stimmen bei den Urnenstimmen systematisch höher ist.

Jedoch muss man wissen, dass bei dieser Zählung der ungültigen Stimmen nur jene Wahlkarten berücksichtigt werden, die als abgegeben gelten. Ein großer Teil aller Briefwahlstimmen, die bei den Wahlbehörden einlangen, wird allerdings gar nicht als abgegeben gewertet. Wie hier nachzulesen ist, blieben im Mai etwa 47.000 Wahlkarten unberücksichtigt, meist aufgrund von Formalfehlern wie fehlenden Unterschriften, falschen oder fehlenden Kuverts oder zu frühem Einlangen (was allerdings ein Spezialproblem der Stichwahl ist).

Wenn man diese nicht gezählten Stimmen zu den ungültigen hinzuschlägt (dazu wird hier die Annahme getroffen, dass der Anteil der ausgegebenen, aber nicht retournierten Wahlkarten pro Bundesland gleich hoch ist), dann erhöht sich die Zahl der nicht berücksichtigten Stimmen deutlich. Österreichweit waren rund acht Prozent aller Wahlkarten entweder ungültig oder blieben ungezählt. In allen Bundesländern liegt der Anteil der nicht gewerteten Wahlkartenstimmen zumindest doppelt so hoch wie jener der ungültigen Urnenstimmen.

Das ist umso problematischer, als anzunehmen ist, dass es sich bei diesen Stimmen nur zu einem geringen Prozentsatz um "echte" ungültige Stimmen handelt. Wer nämlich bewusst ungültig wählen will, drückt das für gewöhnlich eher nicht durch eine fehlende Unterschrift oder inkorrekte Kuvertierung aus.

Nun kann man meinen, dass die betroffenen Personen selbst dafür verantwortlich sind, ihre Wahlkarte korrekt abzugeben. Dennoch: Ein Wahlkartendesign mit einer dermaßen hohen Fehlerquote ist sicherlich verbesserungswürdig.

Wie wichtig benutzerfreundliches und fehlervermeidendes Design bei Wahlen ist, zeigt das Beispiel der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2000. Eine schlecht designte Abstimmungsmechanik in Palm Beach County in Florida resultierte in mehr als 2.000 Stimmen, die statt an den Demokraten Al Gore an einen anderen Kandidaten gingen. Gore hätte mit diesen Stimmen in Florida gewonnen und wäre statt George W. Bush ins Weiße Haus eingezogen.

Alexander Van der Bellens Vorsprung auf Norbert Hofer in der ersten Stichwahl wäre ohne die Formalfehler wohl um mehr als 10.000 Stimmen größer ausgefallen. Wenn es im Dezember ähnlich knapp wird wie im Mai, könnte die Wahl also aufgrund von nicht gewerteten Wahlkartenstimmen entschieden werden. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 14.9.2016)